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Internationales Haftpflicht(versicherungs)recht zwischen den Stühlen?

WissenschaftAlexander Wittwer*)*)Dr. Alexander Wittwer, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Kaufmann & Thurnher Rechtsanwälte GmbH und zugelassen in Österreich (Dornbirn) und Deutschland (Weingarten bei Ravensburg); er ist überdies Lehrbeauftragter an der FH Vorarlberg und der Universität St. Gallen.
Es handelt sich dabei um ein mit Fußnoten versehenes Exzerpt meines am 18.5.2009 bei den "Vorarlberger Tagen" der Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter in Bezau gehaltenen Vortrags. Wegen Verzögerungen beim Druck des Manuskripts wurde dieses mit 11.1.2010 noch einmal aktualisiert.
RZ 2010, 128 Heft 6 v. 1.6.2010

I. Einleitung

Die Redewendung "zwischen den Stühlen sitzen" kann als Synonym auch für die Gerichtsbarkeit verwendet werden; es ist doch ureigenste Aufgabe der Gerichtsbarkeit, zwischen zwei oder mehreren Interessenkonflikten - tatsächlicher und/oder rechtlicher Art - zu entscheiden.1)1)Vgl www.brockhaus.de/wissen/gericht . Zumeist handelt es sich dabei um strittige Tatsachen oder um Auslegungsfragen des inländischen Rechts. Nur ausnahmsweise ist bei einem Prozess strittig, welches Recht überhaupt auf den Sachverhalt anzuwenden ist. Um das anwendbare Recht zu bestimmen, hat die Europäische Union - gleichsam als weitere Bausteine des im Entstehen begriffenen Europäischen Vertrags- und Zivilrechts2)2)Vgl zu dieser Entwicklung, Wittwer, Vertragsschluss, Vertragsauslegung und Vertragsanfechtung nach europäischem Recht (2004), insbes 71 ff. - mit Wirkung vom 11.1.20093)3)Dass vor allem die Rechtssicherheit leidet, zeigt sich beispielsweise auch daran, dass allein schon der zeitliche Anwendungsbereich von Rom II strittig ist. Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass das anwendbare Recht nach diesem Rechtsakt für die nach dem 11.1.2009 eintretenden schadensbegründenden Ereignisse anzuwenden ist. Eine Mindermeinung geht jedoch davon aus, dass mit dem Wort "Inkrafttreten" nach Art 32 das Inkrafttreten gemäß Art 254 Abs 2 EGV gemeint ist (20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt; bei Rom II wäre das am 20.8.2007). Dies würde bedeuten, dass es bereits für anhängige Schadensfälle seit 20.8.2007 zu einem Statutenwechsel käme (vgl Glöckner, Keine klare Sache: Der zeitliche Anwendungsbereich der Rom II-Verordnung, IPRax 2009, 121 ff; Bücken, Intertemporaler Anwendungsbereich der Rom II-VO, IPRax 2009, 125 ff). die sog Rom II-Verordnung 2007/86 4 für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht in Kraft gesetzt (nachfolgend "Rom II").4)4)ABl L 2007/199, 40. Neben den in FN 3 genannten Nachweisen vor allem: Heiss/Loacker, Die Vergemeinschaftung des Kollisionsrechtes durch Rom II, JBI 2007, 613 ff; Beig/Graf-Schimek/Grubinger/Schacherreiter, Rom II-VO. Neues Kollisionsrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse (2008); Von Hein, Rom II-Verordnung, ZEuP 2009, 6 ff. Seit 17.12.2009 ist die Rom I-Verordnung 2008/59 3 für das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht anzuwenden (nachfolgend "Rom I"),5)5)ABl L 2008/177, 6. Dazu bislang etwa: Wagner, Der Grundsatz der Rechtswahl und das mangels Rechtswahl anwendbare Recht (Rom I-Verordnung) - Ein Bericht über die Entstehungsgeschichte und den Inhalt der Art 3 und 4 Rom I-Verordnung, IPRax 2008, 377 ff; Mankowski, Die Rom I-Verordnung - Änderungen im europäischen IPR für Schuldverträge, IHR 2008, 133 ff; Leible/Lehmann, Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I"), RIW 2008, 528 ff. das das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) ablöst. Diese beiden neuen Rechtsakte bezwecken zunächst, das zersplitterte Kollisionsrecht zu vereinheitlichen.6)6)Vgl Begründungserwägungen 2 bis 5 Rom I und Begründungserwägungen 2 bis 5 Rom II. Insbesondere ist beabsichtigt, den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht sowie den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu fördern.7)7)Begründungserwägungen 6 von Rom I und Rom II. Aus diesem Grund sollen die Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts das selbe Recht bestimmen; und zwar unabhängig von dem Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem der Anspruch geltend gemacht wird.8)8)Begründungserwägung 6 Rom I. Das anzuwendende Recht soll durch dieselben Verweisungen einheitlich angewendet werden.9)9)Begründungserwägung 6 Rom II. Weitgehend sollen materieller Anwendungsbereich und Terminologie zwischen diesen beiden neuen Rechtsakten des IPR und dem Europäischen Zivilprozessrecht (EuGVVO)10)10)EG-VerordnungNr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. übereinstimmen.11)11)Die Auslegung hat autonom und damit losgelöst vom nationalen Recht zu erfolgen. Dies gilt auch für so wichtige Begriffe wie "Vertrag" und "Delikt"; hierfür wird auf die bereits gefestigte Rechtsprechung zum Europäischen Zivilprozessrecht zurückzugreifen sein; dazu Beig, Abgrenzung und Zusammenspiel zwischen Vertrag und Delikt, in: Beig ua (FN 4) 38 ff. Siehe auch jüngst EuGH in der Rechtssache Falco Privatstiftung (C-533/07 ; noch nicht in Sammlung), in welcher der EuGH den Begriff "Dienstleistungen" im Sinne von Art 5 Nr 1 lit b) EuGVVO autonom auslegte und einen Lizenzvertrag nicht darunter subsumierte. Entsprechend Begründungserwägung 7 Rom I ist diese Auslegung auch auf die Rom I-Verordnung anzuwenden (so auch Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen Rn 67 ff in dieser Rechtssache). Kritisch dazu Wittwer, Erfüllungsortsgerichtsstand bei Lizenzverträgen, European Law Reporter (ELR) 2009, 232 ff.

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