I. Einleitung
Die Redewendung "zwischen den Stühlen sitzen" kann als Synonym auch für die Gerichtsbarkeit verwendet werden; es ist doch ureigenste Aufgabe der Gerichtsbarkeit, zwischen zwei oder mehreren Interessenkonflikten - tatsächlicher und/oder rechtlicher Art - zu entscheiden.1) Zumeist handelt es sich dabei um strittige Tatsachen oder um Auslegungsfragen des inländischen Rechts. Nur ausnahmsweise ist bei einem Prozess strittig, welches Recht überhaupt auf den Sachverhalt anzuwenden ist. Um das anwendbare Recht zu bestimmen, hat die Europäische Union - gleichsam als weitere Bausteine des im Entstehen begriffenen Europäischen Vertrags- und Zivilrechts2) - mit Wirkung vom 11.1.20093) die sog Rom II-Verordnung 2007/86 4 für das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht in Kraft gesetzt (nachfolgend "Rom II").4) Seit 17.12.2009 ist die Rom I-Verordnung 2008/59 3 für das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht anzuwenden (nachfolgend "Rom I"),5) das das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) ablöst. Diese beiden neuen Rechtsakte bezwecken zunächst, das zersplitterte Kollisionsrecht zu vereinheitlichen.6) Insbesondere ist beabsichtigt, den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vorhersehbarer zu machen und die Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht sowie den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen zu fördern.7) Aus diesem Grund sollen die Kollisionsnormen im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts das selbe Recht bestimmen; und zwar unabhängig von dem Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem der Anspruch geltend gemacht wird.8) Das anzuwendende Recht soll durch dieselben Verweisungen einheitlich angewendet werden.9) Weitgehend sollen materieller Anwendungsbereich und Terminologie zwischen diesen beiden neuen Rechtsakten des IPR und dem Europäischen Zivilprozessrecht (EuGVVO)10) übereinstimmen.11)