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Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst beschuldigen zu müssen gemäß Art 6 EMRK ("Nemo tenetur se ipsum accusare"1)1)"Niemand darf gehalten werden, sich selbst zu beschuldigen.")

WissenschaftRichard Reiter*)*)Dr. Richard Reiter, RAA in der Kanzlei Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbHRZ 2010, 103 Heft 5 v. 1.5.2010

Die prominenteste Rechtsquelle eines Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung stellt in Österreich die für das gerichtliche Strafverfahren den Anklageprozess bestimmende Regelung des Art 90 Abs. 2 B-VG dar.2)2)Als weitere Rechtsquelle eines "nemo tenetur Satzes" wird von Teilen der Lehre [Lienbacher, Verwaltungsstrafverfahren - Anklageprinzip - Menschenrechtskonvention, ZfV 1986, 536 (543f); Müller, Neue Ermittlungsmethoden und das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung, EuGRZ 2002, 546 (547)]. eine gesamtanaloge Ableitung aus der Summe der Grundrechte angenommen. Dieser Ansicht kann allerdings bereits wegen dem Mangel des Vorliegens einer "eigentlichen Lücke" nicht beigestimmt werden. Der VfGH leitet aus dieser an sich organisationsrechtlichen Bestimmung nicht ganz unproblematisch seit 1966 ein "nemo tenetur Prinzip" ab.3)3)VfSlg 5235/1966. Aus dem Grundsatz des Anklageprozesses wird die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Parteistellung des Beschuldigten proklamiert: "[…] der Beschuldigte [ist] nicht Objekt des Verfahrens, sondern Subjekt, also Prozesspartei."4)4)Erstmals: VfSlg 5235/1966, zuletzt: VfSlg 18164/2007. Daran anknüpfend - zur Gewährleistung der Parteistellung - wird ein impliziter "nemo tenetur Satz" postuliert: "Jeder gegen einen Beschuldigten gerichtete behördliche Eingriff, der diesen unter Strafsanktion verpflichtet, an der Wahrheitsfindung durch ein mündliches Geständnis mitzuwirken, widerspricht dem Anklageprinzip." Eine genaue Untersuchung des aus Art 90 Abs. 2 B-VG abgeleiteten Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung kann allerdings in dieser Abhandlung nicht vorgenommen werden, da dies den Umfang der Untersuchung "sprengen" würde. Untersuchungsgegenstand des folgenden Aufsatzes bildet das "nemo tenetur Prinzip" des Art 6 EMRK. Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst beschuldigen zu müssen gemäß Art 6 Abs. 1 EMRK, stellt einen Mindeststandard dar (Art 53 EMRK - Günstigkeitsprinzip) und beeinträchtigt in der österreichischen Rechtsordnung bestehende gleichartige Rechte -wie jenes, das aus Art 90 Abs. 2 B-VG abgeleitet wird - nicht.5)5)Vgl. auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 14f: Den nationalen Verfassungen wird ein Spielraum eingeräumt, ein höheres Schutzniveau zu gewährleisten. Art 90 Abs. 2 B-VG und Art 6 EMRK sind kumulativ anwendbar. Die weitere Betrachtung beschränkt sich auf Art 6 EMRK.

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