Die Richterin und der Richter als Bürgen der grundrechtlichen Freiheit
Dass die Justiz die "grundrechtsschützende Gewalt par excellence" ist2), bringt eine Selbstverständlichkeit auf den Punkt. Die Veranstalter der österreichischen RichterInnenwoche 2007 haben der Frage nach der Stellung der Richterinnen und Richter als WahrerInnen der Grundrechte freilich eine besondere Pointe gegeben, wenn sie das Thema auf die Rechtsprechung der ersten Instanz bezogen haben. Man könnte sich fragen, ob damit nicht die Dinge auf den Kopf gestellt werden. Hat sich doch die juristische Fachdiskussion in den letzten Jahren auf die Grundrechtsjudikatur gerade des Obersten Gerichtshofes bezogen, wie das etwa die Beiträge zur Weißenbacher Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkommission im Jahre 2005 zeigen.3) Sie kreisen um die Frage, ob die zivil- und strafrechtliche Judikatur des OGH einen ausreichenden Schutz der Grundfreiheiten und Menschenrechte bietet, wobei die Antworten darauf recht unterschiedlich ausfallen. Im Hintergrund steht dabei ausgesprochen oder unausgesprochen der Streit um die Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer Urteilsverfassungsbeschwerde, der seit den Beratungen des Österreich-Konvents neue Aktualität gewonnen und schon fast die Züge eines Glaubenskrieges angenommen hat. Zu alledem soll ich indessen nichts sagen, ebenso wenig wie zu den vielen bemerkenswerten Erkenntnissen des OGH, die es gerade auch in Grundrechtssachen gibt. Dass sich Professorinnen und Professoren, wenn sie sich mit der Grundrechtsjudikatur beschäftigen, auf die Lektüre höchstgerichtlicher Erkenntnisse beschränken, wird man fast unterstellen müssen. Aber auch erfahrene Praktiker meinen, dass die Beachtung der Grundrechte nur Höchstgerichten übertragen werden soll, die auf diesem sensiblen Gebiet viel Erfahrung haben - und bezogen war dieses Zitat auf die Strafrechtsjudikatur des OGH.4) Worin liegt dann das Besondere, wenn wir die Frage nach der Wahrung der Grundrechte auf die Richterin oder den Richter der ersten Instanz beziehen?