Seit 1.1.08 läuft sie nun, die von vielen als die größte Strafrechtsreform seit Einführung des Strafgesetzbuches bezeichnete Reform des strafprozessualen Vorverfahrens. Obwohl das sog. Strafprozessreformgesetz bereits im Februar 2004 beschlossen wurde und zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass es umfangreicher korrespondierender Änderungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren sowie in zahlreichen Nebengesetzen bedarf, ließ sich der Gesetzgeber damit bis knapp vor Jahresende 2007 Zeit, was zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten bei den Rechtsanwendern der Gerichte und Staatsanwaltschaften führt. Ausschließlich dem vorbildlichen Einsatz der Richter(innen), Staatsanwälte/Staatsanwältinnen und Kanzleibediensteten ist es zu verdanken, dass das dadurch von außen erzwungene Chaos nicht den totalen Zusammenbruch der Strafrechtspflege bewirkt. Diese Gefahr droht aber nunmehr augenscheinlich im Zusammenhang mit der mangelhaften und unprofessionellen Personalvorsorge für die Gerichte. Die Standesvertretung hat immer wieder davor gewarnt, dass die personelle Decke, die den Gerichten belassen wurde, zu kurz ist, und es insbesondere im Hauptverfahren und im Rechtsmittelverfahren bei den Oberlandesgerichten zu nicht bewältigbaren Engpässen kommen wird. Zur Klarstellung: Die zusätzliche Personalausstattung bei den Staatsanwaltschaften wird nicht in Frage gestellt, mühsam genug war der Kampf der Standesvertretung in den Jahren 2002 und 2003, um die ab 1.1.08 notwendigen Planstellen bei den Anklagebehörden zu sichern. Eine völlig falsch orientierte Sparpolitik der seinerzeitigen und der amtierenden Bundesregierung führte jedoch dazu, dass die Schöffen- und Einzelrichterabteilungen nicht mehr genug Richter zur Verfügung haben, um die in der Hauptverhandlung anfallenden Strafsachen ordnungsgemäß zu erledigen. Bereits jetzt ist abzusehen, dass diese unverständliche Säumnis der Bundesregierung zu Verurteilungen Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen wird, weil viele Verfahren nicht mehr in konventionskonformer Zeit abgeschlossen werden können. Mindestens ebenso prekär ist die Lage bei den Oberlandesgerichten als Rechtsmittelinstanzen in Strafsachen. Nicht nur die Einführung der justizinternen Beschwerdestellen erfolgte ohne jede personelle Vorsorge, auch der durch die prozessualen Änderungen deutlich erhöhte Rechtsmittelanfall, bei den ohnehin bereits stark überlasteten Oberlandesgerichten, wird von der Bundesregierung negiert. Das Justizministerium hat zwar diesen Bedarf erkannt und auch versucht, das Finanzministerium und das Bundeskanzleramt zu einer Nachdotierung zu bewegen, jedoch ohne Ergebnis. Wir erwarten von der Frau Bundesministerin für Justiz, dass sie ihr politisches Gewicht einsetzt, um ihre Regierungskollegen in dieser für das Funktionieren der Strafrechtspflege essentiellen Forderung zu einem Umdenken zu bewegen. Freundliche Schreiben auf Beamtenebene sind jedenfalls aus unserer Sicht nicht ausreichend. Die Standesvertretung steht jedenfalls "Gewehr bei Fuß" und wird in den kommenden Sitzungen der österreichweiten Leitungsgremien die entsprechenden Beschlüsse fassen, um durch geeignete Maßnahmen auf die untragbare Situation hinzuweisen.