Wenn sich über 100 Richterinnen und Richter aller Altersstufen und Rechtsprechungsebenen unter diesem Motto zusammenfinden, um über ihr Berufsethos zu diskutieren, dann ist das Ausdruck einer Krise. Einer Krise der Gesellschaft, die immer mehr von traditionellen Anschauungen abrückt und sich zu einer Pluralität der Werte hin entwickelt. Familie, Arbeitswelt und Staat werden neu definiert, Gesetzgebung und Kriminalität internationalisiert, überkommene Traditionen in Frage gestellt. Während dessen ist die Politik immer weniger bereit, Machtbeschränkung und unabhängige Kontrolle zu akzeptieren. All dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Justiz: Gesetzbuch und Talar genügen heute nicht mehr, um ihr Anerkennung als Autorität zu verschaffen.