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Rechtsmissbrauch im Gesellschaftsrecht

Wirtschaftsrechtem. Univ.-Prof. Dr. Hans-Georg Koppensteiner, LL.M.RdW 2023/179RdW 2023, 240 Heft 4 v. 13.4.2023

1. Einführung

Missbräuchliche Rechtsausübung liegt, generell formuliert, vor, wenn das Recht im Einzelfall zu (nach allgemeinen rechtlichen und sittlichen Maßstäben) nachhaltig missbilligten Zwecken eingesetzt wird.11So F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982) 496 f; gleichsinnig F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 138 f; ferner Kramer, Juristische Methodenlehre6 (2019) 261 (Geltendmachung des Rechts führt zu absolut unbilligen, das Gerechtigkeitsempfinden gröblich tangierenden Ergebnissen); ähnlich OGH 4 Ob 55/21y, ÖBl 2022, 168, Rn 11 f. Gegen generalisierende Aussagen zum Rechtsmissbrauch Mader, Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung (1994) 90 ff, Entwicklung allgemeiner Thesen zum Gehalt von § 1295 Abs 2 ABG aber aaO 172 ff. Demnach ist den guten Sitten im Tatbestand dieser Bestimmung keine eigenständige Bedeutung zuzumessen. Die Kontroverse, ob Rechtsmissbrauch als Einschränkung eines an sich vorhandenen Rechts oder als Grenze des Rechts selbst einzuordnen ist, braucht hier nicht weiter aufgegriffen werden. Ich halte die erstgenannte Variante ebenso wie die wohl überwiegende Meinung für sinnvoller. Davon soll zunächst einmal ausgegangen werden. Positiv-rechtliche Grundlage des Instituts ist vornehmlich § 1295 Abs 2 ABGB. Die Rechtsfolge besteht je nach Lage der Dinge in Schadenersatz oder, für die vorliegende Betrachtung wichtig, in der Unbeachtlichkeit missbräuchlicher Rechtsausübung.22So zB Mader, Rechtsmissbrauch 181 ff, im Einklang mit überwiegender Lehre und Rechtsprechung; ebenso Planiol (zit von Kramer, Juristische Methodenlehre6 261): "le droit cesse ou l’abus commence". Nach OGH 6 Ob 155/20t, Rn 81, bewirkt der Stimmrechtsmissbrauch keine Nichtigkeit des Beschlusses, sondern bloß dessen Anfechtbarkeit. Der OGH hätte demgegenüber die Stimmrechtsausübung als nichtig behandeln und den Beschluss im Sinne der Abweisung des Abberufungsantrags als wirksam ansehen sollen.

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