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Schiedsspruch - Verletzung des ordre public durch Kapitalverzinsung mit mehr als 100 %

WirtschaftsrechtJudikatur Internationales VerfahrensrechtRdW 2005/477RdW 2005, 431 Heft 7 v. 15.7.2005

§ 86 Abs 1 EO

§ 879 Abs 1 ABGB

Auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen sind im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien das New Yorker Schiedsvertragsübereinkommen (NYÜ, BGBl 1961/200), das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (EÜ, BGBl 1964/107) und das bilaterale Abkommen BGBl 1961/115 nebeneinander anwendbar. Während sich der betreibende Gläubiger auf jedes dieser Abkommen berufen kann, kann der Verpflichtete die Anerkennung bzw Vollstreckung des Schiedsspruchs nur dann abwehren, wenn nach jedem Abkommen ein Versagungsgrund vorliegt. Die Behauptung, dass ein Zeuge im Schiedsverfahren falsch ausgesagt habe, verwirklicht - auch wenn sie durch die Vorlage einer notariellen Erklärung des Zeugen gestützt wird - keinen Versagungsgrund nach dem NYÜ. Mängel der Schiedsvereinbarung (hier: die Unterschrift einer Partei wurde angeblich gefälscht) heilen nach dem EÜ durch rügelose Einlassung in das Schiedsverfahren und können dann der Anerkennung und Vollstreckung nicht entgegenstehen. Die Vereinbarung von Zinsen für ein Euro-Kapital iHV mehr als 100 % pro Jahr ist auch zwischen Unternehmern sittenwidrig. Einem Schiedsspruch, mit dem Zinsen in einem solchen Ausmaß zugesprochen werden, ist die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public zu versagen (hier: effektive Jahresverzinsung des in Euro zugesprochenen Kapitals iHv 107,35 % wegen des Zinssatzes von 73 % pro Jahr mit täglicher Kapitalisierung und Zinseszinsen in gleicher Höhe). Beschränkt sich der Versagungsgrund auf einen Teil des Schiedsspruchs, kann dieser mit dem anderen Teil für vollstreckbar erklärt werden, sofern sich aus dem Spruch selbst genügend Anhaltspunkte für eine sichere Trennung ergeben. Wenn die unangemessen hohe Verzinsung des Kapitals gegen den ordre public verstößt, kann der Schiedsspruch zwar in Ansehung des Kapitals für vollstreckbar erklärt werden; eine Vollstreckbarerklärung hinsichtlich des nach dem ordre public gerade noch tolerierbaren Teils der zugesprochenen Zinsen kommt hingegen nicht in Betracht.

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