1. Problem
Durch die ZVN 19831) wurde die Bestimmung des § 30 Abs 2 ZPO 2) eingeführt, wonach Rechtsanwälte und Notare im Zivilprozeß vom urkundlichen Nachweis der ihnen erteilten Vollmacht befreit sind; bei diesen Personen ersetzt die Berufung auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Diese Vorschrift wurde zunächst im Hinblick darauf konzipiert, daß die Vorlage einer Vollmachtsurkunde im ADV-gestützten Mahnverfahren praktisch unmöglich wäre, sollte aber schon bald weit über diese ursprüngliche Intention des Gesetzgebers hinaus Bedeutung erlangen: Schon der Bericht des JA zur ZVN 1983 führte allerdings aus, diese Bestimmung solle nicht auf das Mahnverfahren beschränkt werden. Dies sei deshalb gerechtfertigt, weil Rechtsanwälte und Notare strengen standesrechtlichen Bestimmungen unterliegen und daher ein Einschreiten ohne Vollmacht für sie - auch wenn es sich um keine gerichtlich strafbare Handlung handelt - schwere disziplinarrechtliche Folgen hätte; diesen Personengruppen könne daher diesbezüglich vertraut werden. Der Grundsatz, daß bei Rechtsanwälten und Notaren die Berufung auf eine erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis ersetze, müsse daher für den gesamten Zivilprozeß und auch (gem § 78 EO) für das Exekutionsverfahren gelten3). Lehre und Rsp gingen in der Folge davon aus, daß der § 30 Abs 2 ZPO zugrundeliegende Gedanke auch außerhalb des streitigen Erkenntnisverfahrens zur Anwendung kommen müsse; ausdrücklich wurde dies für das Außerstreit4) und Insolvenzverfahren5) bejaht. Das Prinzip des § 30 Abs 2 ZPO war also in allen zivilgerichtlichen Verfahren analog anzuwenden6). Für den Rechtsanwalt wurde dies durch § 8 Abs 1 RAO idF BGBl 1990/474 klargestellt: Nach dieser Bestimmung ersetzt die Berufung des Anwaltes auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis vor allen Behörden und Gerichten. Dies gilt nun nach der NO-Nov 19937) seit 1. 11. 1993 auch für das Notariat (§ 5 Abs 4 a NO).