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Arbeitszeitüberwachung im Gütertransportgewerbe

ArbeitsrechtFranz MarholdRdW 1991, 148 Heft 5 v. 1.5.1991

Die Einsatzzeit von LKW-Lenkern ist - da ihre Tätigkeit außerhalb betrieblicher Grenzen durchgeführt wird und zudem von den Zufälligkeiten des Straßenverkehrs abhängt - nur schwer zu überwachen. Dementsprechend schwierig ist es, Kriterien an das Verhalten des Arbeitgebers oder des von ihm Bevollmächtigten anzulegen, anhand derer die Verletzung von Arbeitszeitvorschriften geahndet werden könnte. Der Arbeitnehmer, der am nächsten zur Tat (Verletzung der Arbeitszeitvorschriften) steht, ist - verfassungskonform (VfSlg 10.081) - von jeder Strafbarkeit ausgenommen. Für die grundsätzlich strafbaren Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte hat der Gesetzgeber auf die Formulierung konkret strafbarer Tatbestände, die an das Verhalten der Täter anknüpfen, verzichtet und den bequemeren Weg des Ungehorsamsdeliktes beschritten. § 28 Abs 1 AZG stellt eine Blankettstrafnorm dar, die auf die materiellen Verhaltenspflichten des AZG verweist. § 16 Abs 2 AZG verbietet das Überschreiten einer zwölf stündigen Einsatzzeit, § 14 Abs 2 AZG untersagt im Grundsatz die Überschreitung von achtstündigen Lenkzeiten zwischen zwei Ruhepausen und achtundvierzigstündigen Lenkzeiten innerhalb einer Woche. Nach der mittlerweile gefestigten Rsp des VwGH (VwSlgNF 11.177 A; ZAS 1984, 145 f) gelangt man nur interpretativ zu einer Strafbarkeit des Arbeitgebers oder seiner Bevollmächtigten: „Nach dem insofern eindeutig erkennbaren Normgehalt dieser Bestimmung ergeben sich daraus die verwaltungsstrafrechtlich zu ahndenden Verletzungen nachstehender Pflichten: die Einhaltung der Einsatz- und Arbeitszeit zu ermöglichen, sie zu überprüfen und alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Einsatzzeit sicherzustellen.“ Stoitzner (ZAS 1987, 33) hat mit zutreffender Begründung bereits darauf aufmerksam gemacht, daß weder § 28 AZG allein noch iVm § 16 (und § 14) AZG solche konkreten Verhaltenspflichten des Arbeitgebers zu entnehmen seien. Richtig führt sie aus, daß die Norm daher nicht den Anforderungen entspricht, die an die Bestimmtheit gerade einer Strafnorm anzulegen sind. In seiner jüngsten Rsp begegnet der VwGH zwar nicht expressis verbis, aber der Sache nach diesem Einwand dadurch, die entsprechenden Unterlassungen dem Verschulden des Arbeitgebers oder seines Bevollmächtigten zuzuordnen. Der VwGH geht davon aus, daß es sich bei den Übertretungen nach § 28 AZG um Ungehorsamsdelikte handelt, die nichts über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden bestimmen (VwGH 17. 12. 1990, 90/19/0570). Daraus folgert er, der Arbeitgeber oder sein Bevollmächtigter habe glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Damit wird aber nur verdrängt, daß in Wahrheit interpretativ Verhaltenspflichten geschaffen und mit Strafe bedroht werden. Die „objektiv verletzten Verhaltensvorschriften“ ziehen nämlich nur dann Strafsanktionen nach sich, wenn man entsprechende Verpflichtungen des Arbeitgebers zu einem bestimmten Handeln annimmt. Diese ergeben sich weder in der vom VwGH vertretenen allgemeinen Überwachungspflicht noch in konkreteren einzelnen Verhaltensweisen, die zum Teil in der Lehre gefordert werden (zB Entlassung des Lenkers, Grillberger, AZG, 1985, 128; Klein, ZAS 1984, 148), in einer den Erfordernissen des Art 18 B-VG und § 1 Abs 1 VStG entsprechenden Weise aus dem Gesetz. Der Befund Stoitzners (ZAS 1987, 33), nach dem § 28 AZG in der Auslegung des VwGH verfassungswidrig ist, bleibt daher richtig.

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