Die Medienberichterstattung über Strafverfahren bildet aus grundrechtlicher Perspektive eine Gratwanderung. Denn zum einen ist der Pressefreiheit (Art 10 EMRK) berechtigterweise ein weitreichender Entfaltungsspielraum zuzugestehen, damit die Presse die für eine demokratische Gesellschaft notwendige (Medien-)Öffentlichkeit herstellen kann. Zum anderen bedarf es gewisser Ausgleichsmaßnahmen, um etwa das Grundrecht auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK) des von der Kriminalberichterstattung Betroffenen zu achten. Bei Online-Publikationen tritt diesbezüglich ein weiteres Problem zutage: Selbst nach Verbüßung der Strafe bleibt die Online-Berichterstattung ohne Zeitbeschränkung verfügbar, was sich negativ auf die Reintegration des Verurteilten und seine Privatsphäre auswirken kann. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfelds widmet sich der Beitrag einem jüngeren EGMR-Urteil, das sich im Licht der Resozialisierung von verurteilten Straftätern mit dem Recht auf Vergessenwerden hinsichtlich der Medienberichterstattung über abgeschlossene Strafverfahren auseinandersetzt.