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Das prospektrechtliche Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht im Spannungsverhältnis zwischen Anlegerschutz und Reuerecht: gestörte Vertragsparität zu Lasten der Kreditinstitute*)*)Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf einer Anfrage aus der Praxis.

AbhandlungenProf. Dr. Harald BaumÖBA 2018, 86 Heft 2 v. 15.2.2018

In Deutschland wie in Österreich kommen zunehmend Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte als Instrumente des Verbraucher- und Anlegerschutzes zum Einsatz. Diese einfach ausübbaren, aber scharfen Sanktionsinstrumente entfalten eine schwer steuerbare Dynamik mit einschneidenden Folgen für die Vertragspartner. Das deutsche Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und das prospektrechtliche Rücktrittsrecht in Österreich drohen in der Rechtsprechung in besorgniserregender Weise contra legem zu allgemeinen Reuerechten zu pervertieren, die mit dem berechtigten Anliegen des Verbraucher- und Anlegerschutzes nichts mehr zu tun haben. Die Missbrauchsanfälligkeit des prospektrechtlichen Rücktrittsrechts nach §§ 5 und 6 KMG beruht auf den fragwürdigen Annahmen, dass es, erstens, keine zeitliche Befristung für dessen Ausübbarkeit gebe und dass, zweitens, ungeachtet zwischenzeitlicher Wertveränderungen stets der volle Kaufpreis der Wertpapiere zurückzuerstatten sein soll. Dies ist sachlich nicht geboten, sondern setzt erhebliche ordnungspolitische Fehlanreize für ein opportunistisches Verhalten auf Seiten der Anleger und führt zu einer system- und europarechtswidrigen Überlagerung des prospektrechtlichen Haftungsregimes durch das Rücktrittsrecht.

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