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Das EuGH-Urteil "Stichting Leenrecht": Das Vermiet- und Verleihrecht und die Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei E-Books

UrheberrechtHon.-Prof. Dr. Michel M. WalterMedien und Recht 2016, 333 Heft 7 und 8 v. 20.12.2016

1. Zur Auslegung des Unionsrechts

1.1. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Stichting Leenrecht/Vereniging Openbare Bibliotheken"1)1)EuGH 10.11.2016 C-174/15 GRUR 2016, 1266 (Malte Stieper) = MR-Int 2016, 99 (Simon Apel) = GRUR Int 2017, 75 = CR 2017, 14 = EuZW 2017, 20 GRUR 2016, 1266 (Malte Stieper) = GRUR Int 2017, 75 = CR 2017, 14 = EuZW 2017, 20. ist in mehrfacher Hinsicht von großem Interesse2)2)Siehe zu diesem Urteil auch Jochen Marly/Anna-Lena Wirtz, Die Weiterverbreitung digitaler Güter, EuZW 2017, 16.. Hervorzuheben ist zunächst das neuerliche Bekenntnis des Gerichtshofs dazu, dass das Bestreben des Europäischen Gesetzgebers, ein hohes Schutzniveau zu verankern, bei der Auslegung des Unionsrechts mit Bezug zum Urheberrecht zu berücksichtigen ist. Auffallend deutlich hebt das Urteil hervor, dass grundsätzlich auch die Absicht des historischen Gesetzgebers bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (sog historische Auslegung). Im konkretem Zusammenhang, nämlich in Bezug auf die Auslegung des Begriffs des Verleihens, wie er in der Vermiet- und Verleih-RL verankert ist, meint das Höchstgericht allerdings, dass die Absicht des historischen Gesetzgebers im Text der Richtlinie nicht hinreichend angelegt ist, woraus abzulesen ist, dass der EuGH hierin eine Voraussetzung für die Berücksichtigung der sog Gesetzesmaterialien sieht3)3)Auch die österr Rsp ist bei Berücksichtigung der Absicht des historischen Gesetzgebers zurückhaltend. Danach steht bei der Auslegung die Norm selbst mit ihrem Wortlaut, mit ihrer Systematik und ihrem Zusammenhang mit anderen Normen über der Meinung der Redaktoren (vgl etwa JBl 1987, 647) und ist bei der Auslegung eines Gesetzes auf dessen Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien erst (und nur) dann zurückzugreifen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist (s. etwa OGH 13.01.1993 9 Ob A 248/92 Arb 11.064 mit Hinweis auf SZ 22/1; SZ 39/103; SZ 45/41; JBl 1987, 647 = ÖBl 1987, 136 = MR 1987, 212 [Michel Walter]).. Auch hätte es sich, so fügt der EuGH hinzu, im gegebenen Zusammenhang nur um Aussagen betreffend eine bestimmte Werkkategorie (Filmwerke) gehandelt, die nicht verallgemeinert werden könne.

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