Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG, Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG, § 12a AsylG 2005, § 22 Abs 10 AsylG 2005, § 22 BFA-VG
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Abweisung von – zulässigen – (Gerichts-)Anträgen des VwGH und des BVwG auf Aufhebung des § 22 Abs 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 sowie des § 22 BFA-VG (alle idF BGBl I Nr 68/2013) betreffend die Voraussetzungen und das Verfahren bei Folgeanträgen nach Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes von Fremden durch das BFA aufgrund offenkundiger Untrennbarkeit der Bestimmungen; im Übrigen Zurückweisung der Hauptanträge als zu eng sowie teilweise Zurückweisung der Eventualanträge als zu weit gefasst; Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG schließt einerseits ein amtswegiges Tätigwerden des BVwG aus und verlangt andererseits ein entsprechendes Kontrollobjekt; erstinstanzliche Zuständigkeiten des BVwG können daher nicht begründet werden; kein amtswegiges Vorgehen des BVwG auf Grund von § 22 Abs 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG: die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird erst mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik); eine Beschwerde gemäß Art 132 B-VG kann ausschließlich von einem legitimierten Bf erhoben werden; die Beschwerdelegitimation knüpft dabei an den jeweiligen Beschwerdegegenstand an; die gemäß § 22 Abs 10 AsylG 2005 erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten an das BVwG gilt nach der ausdrücklichen Anordnung des § 22 Abs 10 vierter Satz legcit als Beschwerde gegen den Bescheid des BFA; den Erläuterungen zufolge sei „eine gesonderte Beschwerde aus Eigenem [...] daher nicht zulässig“ bzw „erforderlich“; vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Übermittlung der Verwaltungsakten intendiert, eine Parteibeschwerde, also die Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit durch den Betroffenen im Sinne des Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG, zu fingieren; die vom Gesetzgeber in § 22 Abs 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist mit dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar: das Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 steht stets in Zusammenhang mit einem Asylverfahren anlässlich eines Folgeantrages, über den noch nicht abschließend entschieden wurde; diesem Folgeantrag geht ein rechtskräftig mit der vollinhaltlichen Ab- oder Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz abgeschlossenes, rechtsstaatlich durchgeführtes, Asylverfahren („Erstverfahren“) voraus, das mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde; folglich wurde bereits vor der Stellung eines Folgeantrages zumindest einmal eine Refoulement-Prüfung bzw Interessenabwägung vorgenommen; gemäß § 12a Abs 2 Z 1 AsylG 2005 kann der faktische Abschiebeschutz nur aufgehoben werden, wenn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG vorliegt; § 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens; darüber hinaus sieht § 12a Abs 2 Z 3 legcit vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art 2 und 3 MRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art 8 MRK vorzunehmen sind; die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 12a und § 41a Abs 2 AsylG 2005 idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 heben hervor, dass sich die Refoulement-Prüfung auf einen seit dem Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens geänderten Sachverhalt zu beziehen hat; die „automatische“ Überprüfung der Entscheidung des BFA gewährleistet die rasche Überprüfung durch das BVwG; der Überprüfung kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu; jedoch hat der Gesetzgeber mit der Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass das BVwG in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des BFA zu beheben, bevor es zu einer Außerlandesschaffung kommt; die Gesetzesmaterialien erklären die Einführung der Sonderbestimmungen für Folgeanträge mit der Praxis in der Vergangenheit; diese habe gezeigt, dass Fremde, deren Asylantrag auch nach Beschwerden vor dem Asyl- und VfGH ab- oder zurückgewiesen wurde, oftmals einen oder auch mehrere weitere Asylanträge gestellt hätten (diese Feststellung wird in den Materialien mit entsprechendem Datenmaterial untermauert); diese Anträge würden oft nicht dem berechtigten Vorbringen neuer Asylgründe dienen, sondern allein auf die Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und damit auf die ungerechtfertigte Verlängerung des faktischen Aufenthalts in Österreich abzielen; diese Vorgehensweise stelle für das Asylsystem eine enorme Belastung dar und gefährde den geordneten Vollzug des Fremdenwesens; die angefochtenen Bestimmungen gewährleisten für den vorliegenden Zusammenhang, dass im Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rasch entschieden