1. Von mediatisierten Empörungswellen
Twelve points go to ... Austria! Conchita Wurst, die ‚Gewinnerin‘ des Eurovision Song Contest 2014 sorgte vor, während und nach der Übertragung des internationalen Musikwettbewerbs für enormen Aufruhr. Doch was genau entzündete die Empörung und evozierte einen öffentlichen Diskurs, der das Ende des Abendlandes kommen und die Gesellschaft gefährdet sieht? Die banale Antwort: Eine ‚Frau‘ mit Bart. Die identifizierte Normverletzung in Bezug auf die Vorstellung von der Binarität der Geschlechtercodierung führte zu einer kollektiven Empörung im Netz.1 Im Rahmen einer erhöhten Aufmerksamkeitsökonomie evozierte der sog ‚Shitstorm‘ jedoch zugleich eine Welle der Solidarisierung: Conchita Wurst ließ ihre Konkurrent_innen beim Eurovision Song Contest 2014 mit 290 Punkten weit hinter sich – und gewann eines der mit rund 180 Millionen Zuschauer_innen größten Medienevents des Jahres.2 Das hier diskutierte Phänomen wird in der öffentlichen Auseinandersetzung zumeist mit dem Begriff ‚Shitstorm‘ als Ausdrucksform der ‚digitalen Wutbürger_innen‘3 benannt. Im Folgenden möchte ich mich allerdings von dem Begriff ‚Shitstorm‘ distanzieren und von ‚mediatisierten Empörungswellen‘ schreiben, da dieser Begriff auf der einen Seite auf die Medienspezifizität des Phänomens verweist und zum anderen die affektive Aufgeladenheit des Phänomens betont, ohne dieses zu werten. Zudem sind Diffamierungen, Herabsetzungen und Beleidigungen eine konstitutive Ausdrucksform mediatisierter Empörungswellen.4