1. Einleitung
Ziviler Ungehorsam lässt sich definitorisch nicht ausschließlich anhand der Praktiken bestimmen, durch die er historisch zum Ausdruck kam. Verschiedene Akte von zivilem Ungehorsam verbindet lediglich ein einigermaßen stabiler theoretischer Konsens, dass es sich um einen prinzipienbasierten und absichtlich rechtswidrigen Protestakt handelt, der zum Ziel einer politischen Einflussnahme ausgeübt wird.1 Über viele weitere Fragen der genaueren Bestimmung von zivilem Ungehorsam streiten liberale, deliberative und radikal-demokratische Philosophinnen und Philosophen intensiv besonders seit den 1970er Jahren. So ist es je nach theoretischem Verständnis fraglich, ob absolute Gewaltlosigkeit, Öffentlichkeit des Aktes, Annahme der Strafe oder das Handeln im Kollektiv als definitorische oder legitimierende Aspekte zivilen Ungehorsam ausmachen. Jenseits dieser Debatten entwickelt sich die Praxis des zivilen Ungehorsams weiter und hat seit Mitte der 1990er Jahre das Internet als neues Spielfeld entdeckt. Sowohl die Architektur des Internets als auch seine Anwendungsebene, die sich als digitaler Teil der menschlichen Lebenswelt in die heutige Handlungspraxis integriert, bringen als neue Basis von Taktiken des zivilen Ungehorsams viele Veränderungen mit sich.