Studierende der Rechtswissenschaft lernen in Deutschland bereits in den Anfangssemestern, dass die Maxime „Dulde und liquidiere“ im deutschen Verfassungsrecht keinen Platz habe. Hinter dieser Kurzformel verbirgt sich der vom Bundesverfassungsgericht im sog. Naßauskiesungsbeschluss1 festgestellte Grundsatz, dass Individuen und Unternehmen, die sich in ihrem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt sehen, nur dann eine Entschädigung begehren können, wenn eine solche gesetzlich vorgesehen ist. Grundsätzlich sollen Gesetze und Entscheidungen, die gegen das Grundrecht auf Eigentum verstoßen, nämlich aufgehoben oder abgeändert, aber nicht durch Entschädigungszahlungen kompensiert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die in ihrem Eigentum verletzte Person die Rechtsverletzung nicht einfach hinnehmen („dulden“) und Entschädigungen kassieren („liquidieren“) soll, sondern sich an die zuständigen Verwaltungs- und Verfassungsgerichte wenden und die Rechtmäßigkeit staatlichen Handels überprüfen lassen soll. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist das Prinzip der Gewaltenteilung: Nicht ein Gericht, sondern der Gesetzgeber soll den Inhalt und die Schranken des Eigentumsrechts festlegen und auch die Höhe einer möglichen Entschädigung bestimmen.2