Bislang ist das Strafrecht im Kontext der Europäischen Union unter dem Titel der "Polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen" (PJZS) der sog Dritten Säule zugewiesen. Die Angleichung mitgliedstaatlicher Strafrechtsbestimmungen, die Zusammenarbeit in Strafsachen sowie die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung justizieller Entscheidungen erfolgen nach traditioneller Ansicht demzufolge auf intergouvernementaler Basis2. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa3, der am 29.10.2004 in Rom unterzeichnet wurde, wollte die Säulenarchitektur überwinden und unter anderem das Strafrecht in supranationale Regelungsmechanismen einbinden. So sah er die Regelung von Strafrechtsagenden durch europäische Gesetze und Rahmengesetze vor, Instrumente, die der Verordnung und der Richtlinie des Gemeinschaftsrechts nachgebildet sind. Mit dem (vorläufigen) Scheitern des Verfassungsvertrages schien die Entwicklung eines europäischen Strafrechts im engeren Sinne gestoppt. Zwei vor kurzem ergangene Entscheidungen des EuGH zu Fragen des Strafrechts lassen indessen aufhorchen, weil sie das traditionelle Verständnis der Einordnung des Strafrechts in der Säulenarchitektur sowie der Wirkung von Rahmenbeschlüssen aufzuweichen scheinen.