A. Problemaufriss
In der Entscheidung 11 Os 112/23i setzt sich der OGH erstmals mit dem Anwendungsbereich des § 168b StGB, konkreter mit der Auslegung des Wortes „Vergabeverfahren“, auseinander. Anlässlich einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen eine Entscheidung des OLG Wien spricht der OGH entgegen der bisher nahezu übereinstimmenden hM in der Literatur1) aus, dass unter einem Vergabeverfahren iS des § 168b StGB auch ein Verfahren zu verstehen sei, das durch private Auftraggeber außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des BVergG durchgeführt wird.2) Diese Annahme wird auf den weiten Wortlaut des Tatbestandes gestützt, der eine Eingrenzung auf dem BVergG unterliegende Vergabeverfahren nicht vorsehe. Es werde durch den Wortlaut des Tatbestandes nicht zwischen öffentlichen und privaten „Auftraggebern“ unterschieden. Es erscheint aber fraglich, ob eine reine Wortlautinterpretation im Hinblick auf die gesetzgeberischen Absichten und den Schutzzweck der Norm nicht wesentliche Aspekte außer Betracht lässt und deshalb zu kurz gegriffen ist.