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Richtlinienkonforme „gesetzesübersteigende“ Rechtsfindung und ihre Grenzen – eine methodische Vergewisserung anlässlich 20 Jahre EU-Mitgliedschaft

Aufsätzeo. Univ.-Prof. Dr. Peter BydlinskiJBl 2015, 2 Heft 1 v. 1.1.2015

Vor genau 20 Jahren ist der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (damals noch: EG) wirksam geworden. Das hat zu vielfältigen Veränderungen geführt; speziell im materiellen Recht, aber nicht zuletzt auch in der Methodik der Rechtsanwendung. Man denke nur an neue Begriffe wie richtlinien- bzw europarechtskonforme Auslegung, gespaltene Auslegung oder Staatshaftung wegen mangelhafter Richtlinienumsetzung. Der vorliegende Beitrag1)1)Über das Thema denke ich schon seit Längerem nach. Ein Rechtsgutachten, in dem auch die richtlinienkonforme Auslegung eine Rolle spielte, gab den letzten Ausschlag zur Publikation meiner dazu angestellten Überlegungen. Vollständigkeit der Nachweise kann nicht einmal für das österreichische Recht erreicht werden; die Zitate zu der in Deutschland geführten Diskussion können von vornherein nur als exemplarisch gemeint sein. beschäftigt sich mit der über die Auslegung ieS hinausgehenden, also „gesetzesübersteigenden“ Rechtsfindung und geht vor allem der Frage nach, ob sich die Grenzen dieser methodischen Rechtsfigur – und damit womöglich zugleich die anerkannte Contra-legem-Schranke2)2)So trägt eine im Jahre 2013 von N. Baldauf publizierte (deutsche) Dissertation ohne Fragezeichen den Titel „Richtlinienverstoß und Verschiebung der Contralegem-Grenze im Privatrechtsverhältnis“. (Die Autorin selbst tritt einer solchen Verschiebung allerdings deutlich entgegen.) – aufgrund des immer wieder betonten Vorrangs des Europarechts verändert haben. Dabei wird die – gelegentlich zu Unrecht in Zweifel gezogene3)3)Etwa von Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972) 102; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung (1972) 180. Zur Diskussion und für Grenzziehung, ohne die sachliche Nähe zwischen Auslegung und Analogie zu leugnen, siehe etwa F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991, Nachdruck 2011) 467 ff. – Prämisse zugrunde gelegt, dass eine Unterscheidung zwischen Auslegung und darüber hinaus gehender Rechtsfindung möglich und geboten ist, was für Österreich bereits die §§ 6 und 7 ABGB nahe legen.

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