In der E 1 Ob 2123/96d (abgedruckt in JBl 1997, 368) entscheidet der OGH als verstärkter Senat eine lange Diskussion zu der praktisch sehr bedeutsamen Frage, ob derjenige, der als Nebenintervenient einem Zivilprozeß beigetreten ist oder dem zumindest der Streit verkündet wurde, in einem Regreßprozeß an die Ergebnisse des Erstprozesses (insb an nachteilige Tatsachenfeststellungen) gebunden ist, indem der OGH die Bindung bejaht. Der Verfasser hat sich - mit der herrschenden zivilprozessualen Lehre (Fasching, Rechberger/Simotta, Rechberger, Rechberger/Oberhammer, Ballon, Buchegger/Deixler/Holzhammer, Fucik, Deixler-Hübner, Jelinek, Böhm, Oberhammer, Netzer) - für die österr Rechtslage mit ausführlicher Begründung mehrmals explizit gegen eine solche (in der österr ZPO fehlende) Bindung ausgesprochen, worauf der OGH mehrfach in seiner Entscheidungsbegründung eingeht. Auch der Verfasser als exponierter Vertreter des gegensätzlichen Standpunktes muß dem OGH allerdings attestieren, daß es sich bei der nunmehrigen E um ein in mehrerlei Hinsicht bemerkenswertes Judikat handelt. Zum einen ist dem OGH für seine umfassende und tiefgehende Analyse des bisherigen Diskussionsstandes Respekt zu zollen (die Entscheidungsausfertigung hat einen Gesamtumfang von 77 Seiten, davon betreffen 30 Seiten die Behandlung der hier entscheidenden Rechtsfrage), zum anderen gelangt der OGH zu seinem Ergebnis nicht nur durch Ablehnung der von der herrschenden zivilprozessualen Lehre vorgebrachten Argumente (denen er durchaus Gewicht beimißt), sondern durch ein völlig neues, bislang nicht existierendes Argument, nämlich die Berufung auf das in Österreich 1996 in Kraft getretene Lugano-Abkommen (LGVÜ). Der OGH setzt sich zunächst ausführlich und mit der richtigen Grundtendenz mit den bislang dargelegten Argumenten pro und contra Bindungswirkung auseinander, erklärt diese Diskussion letztlich aber in Wahrheit als heute irrelevant, weil sich die Bindung bei Nebenintervention und Streitverkündung jedenfalls aus einem österr Vorbehalt in Art V des Protokolls Nr 1 zum LGVÜ ergäbe. Dort ist davon die Rede, daß Entscheidungswirkungen gegenüber Dritten, denen der Streit verkündet wurde, in anderen Vertragsstaaten anerkannt werden - ohne daß freilich aus Art V des Protokolls Nr 1 LGVÜ hervorginge, welche Entscheidungswirkungen das sind bzw wann sie eintreten; diesbezüglich enthält sich das LGVÜ vielmehr einer Aussage und verweist auf das jeweilige nationale Recht. Daher bedeutet Art V des Protokolls Nr 1 LGVÜ vorerst nur, daß eine Bindungswirkung bei Streitverkündung von Österreich dann anerkannt wird, wenn sie das ausländische Recht vorsieht und umgekehrt eine Streitverkündungswirkung österr Urteile vom Ausland dann anerkannt wird, wenn sie das österr Recht vorsieht. Daher würde sich daraus nur ergeben, daß etwa eine deutsche Entscheidung, die kraft ausdrücklicher Vorschrift des § 68 iVm § 74 dZPO Bindungswirkung für denjenigen hat, dem der Streit verkündet wurde, diese Bindungswirkung auch in Österreich äußert. Daraus ergibt sich aber rechtsdogmatisch noch gar nichts für den Wirkungsumfang österr Entscheidungen, insb nicht für die Entscheidungswirkungen in Österreich, also für reine Binnenfälle. Nur mittels eines weiteren argumentativen Schritts leitet der OGH diese besondere nationale Streitverkündungs-Bindungswirkung (Interventionswirkung) auch für österr Urteile ab: Wenn bestimmten ausländischen Urteilen (nämlich jenen, deren Ursprungsstaat die fragliche Bindungswirkung kennt) diese Wirkung über die Anerkennung in Österreich zukommt, könne ein österr Zivilurteil (in Österreich und im Ausland) nicht weniger Wirkungen haben. Dies laufe auf ein österr „Partikularrecht“ hinaus, das zu vermeiden Aufgabe der Rechtsvereinheitlichung durch das LGVÜ sei.