vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Europäische Privatrechtsvereinheitlichung

AufsätzeProf. Dr. Ernst A. KramerJBl 1988, 477 Heft 8 v. 1.8.1988

I. Einleitung

In einer Zeit, in der die westeuropäischen Staaten wirtschaftlich immer stärker zusammenwachsen – ich denke konkret an den bis Ende 1992 zu verwirklichenden gemeinsamen EG-Binnenmarkt1)1)Zu dem dadurch ausgelösten verstärkten „Gestaltungsbedarf des Europäischen Rechts“ vgl Everling, EuR 1987, 214 ff. –, stellt sich für den durch das Inkrafttreten des UN-Kaufrechts und die Umsetzung der EG-Produkthaftungsrichtlinie zusätzlich sensibilisierten Privatrechtler erneut die schon oft gestellte Frage, ob sich die nationale Zersplitterung der europäischen Privatrechtsordnung nicht, je länger desto klarer, als jedem common sense widersprechender Anachronismus2)2)In diesem Sinn René David in: Int. Encycl. of Comp. Law II ch. 5 (1969) 180: „This nationalization of the [European] law is distressing from the intellectual point of view, and even from the practical point of view it is contrary to all common-sense in the world of today.“ erweisen muß. Ist es nicht, wie Gschnitzer 3)3)JBl 1960, 215. bereits 1960 in einem an der Universität Warschau gehaltenen Vortrag rhetorisch gefragt hat, endlich „an der Zeit, über das nationale Zivilrecht hinaus ein gemeinsames europäisches Zivilrecht zu schaffen“? Sollten wir also nicht, wie neuerdings der italienische Rechtsvergleicher Patti gemeint hat, auf eine „3. Generation“ europäischer Zivilgesetzbücher hinsteuern?4)4) Patti, Saggi di diritto privato comparato (1986) 58 f; im Anschluß an Wieacker, Aufstieg, Blüte und Krisis der Kodifikationsidee, FS Boehmer (1954) 46, der im Hinblick auf BGB und ZGB von einer 2. Generation europäischer Zivilgesetzbücher gesprochen hat. Vgl in diesem Zusammenhang auch Basedow, ZVglRWiss 79 (1980) 134, der im Hinblick auf das neue niederländische Zivilgesetzbuch die Frage stellt, ob es nicht angebracht wäre, die nationale Erneuerung zugunsten einer europäischen Kodifikation des Privatrechts zurückzustellen. Nach der Generation der großen Naturrechtskodifikationen, der zweiten etwa des BGB, des ZGB und des Codice civile, käme nun die Generation der gesamteuropäischen (genauer: der das westliche Europa umfassenden) Gesetzbücher.

Sie möchten den gesamten Inhalt lesen?

Melden Sie sich bei Lexis 360® an.
Anmelden

Sie haben noch keinen Zugang?
Testen Sie Lexis 360® zwei Wochen kostenlos!
Jetzt testen!