I. Einleitung
Unter der Herrschaft des StG hatten sich sowohl das strafrechtliche Schrifttum als auch die Judikatur nahezu ausnahmslos zur Identität des strafrechtlichen und des prozessualen Begriffs der öffentlichen Urkunde bekannt, und zwar in der Weise, daß die Legaldefinition des § 292 Abs 1 1. Halbs ZPO auch für das Strafrecht als verbindlich angesehen wurde. Diese Auffassung soll im folgenden Einheitstheorie genannt werden1). Die Frage nach der sog Akzessorietät des strafrechtlichen Begriffs der öffentlichen Urkunde kam auch bei den Beratungen der Strafgesetzkommission zur Sprache. Es wurde lange und eingehend über die Zweckmäßigkeit einer eigenen Definition der öffentlichen Urkunde im StGB diskutiert2). Im Laufe dieser Beratungen hatten sich fast alle Mitglieder der Strafgesetzkommission iSd weiteren Maßgeblichkeit der ZPO für das Strafrecht ausgesprochen. Als einziger hatte sich damals Estl gegen diesen allgemeinen Trend gestemmt und davor gewarnt, „sich zu sehr durch die Bestimmungen der geltenden Zivilprozeßordnung hypnotisieren zu lassen“3).