I. Zum Begriff der Anrechnung
Unter der Anrechnung im Erbrecht versteht man die Berücksichtigung einer Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers bei der Ermittlung des Erb- oder Pflichtteils1). Im einzelnen taucht sie in verschiedenen Varianten auf: Es gibt die Anrechnung einer letztwilligen Zuwendung – wie zB die Berücksichtigung eines Legats bei der Ermittlung des Pflichtteils (§ 787)2) oder die Berücksichtigung einer erbvertraglichen Zuwendung bei der Ermittlung des gesetzlichen Ehegattenerbteils (§ 757 Abs 3) – und die Anrechnung von Zuwendungen, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Hier ist die Unterscheidung der Anrechnung auf den Erbteil von der Anrechnung auf den Pflichtteil besonders wichtig. Erstere soll eine gewisse Gleichbehandlung der Erben sicherstellen, es soll bei der Vermögensverteilung von Todes wegen auch ein Ausgleich der Zuwendungen unter Lebenden erfolgen3). Eine ähnliche Funktion erfüllt die Anrechnung beim Pflichtteil. Auch hier geht es primär um die gleichmäßige Behandlung der engeren Verwandten. Darüber hinaus kommt aber diese Anrechnung auch der Testierfreiheit des Erblassers zugute4): Wer Vorempfänge erhalten hat, kann aus dem Titel der Pflichtteilsberechtigung weniger fordern, der Wert verbleibt daher dem eingesetzten Erben. Im Rahmen des Pflichtteilsrechts gibt es außerdem die Anrechnung von Schenkungen. Auch sie fördert die Gleichbehandlung der Noterben, wirkt aber vor allem der Pflichtteilsverkürzung durch den Erblasser entgegen5).