vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Die Funktion von Richter und Gesetz nach dem neuen deutschen Scheidungsrecht*)*)Vortrag, gehalten am 17.5.1978 auf Einladung der Juristischen Fakultät der Universität Salzburg. Die Vortragsform wurde im wesentlichen beibehalten, die Nachweise wurden auf das Notwendigste beschränkt.

AufsätzeUniv.-Prof. Dr. Harm Peter WestermannJBl 1979, 113 Heft 5 und 6 v. 17.3.1979

I. Problemstellung

In welchem Geiste sollte man ein großangelegtes Gesetz zu einem Problem, das alle Länder mit annähernd vergleichbarer kultureller Entwicklung und Gesellschaftsstruktur in ähnlicher Weise betrifft, im Ausland vorstellen? Rechtsvergleichung ist kaum sinnvoll zu einem Zeitpunkt, an dem eine der Rechtsordnungen von sich sagt, sie habe soeben „überholte Rechtsnormen der sozialen Wirklichkeit und den sozialen Bedürfnissen“ angepaßt1)1)Bundesjustizminister Vogel, FamRZ 1976, 481; zum Vergleich mit der französischen Scheidungsreform Rieg, FS Bosch (1976) 783 ff; Wacke, FamRZ 1978, 217 ff., so daß die andere Rechtsordnung, mit der ein Vergleich erwartet werden könnte, nunmehr einer anderen Epoche entstammt2)2)Zum österr Scheidungsrecht unter diesem Aspekt die Glosse von Kreuzer, JZ 1971, 396 f mit immerhin aufschlußreichen Parallelen zum neuen § 1565 BGB.. Ob die Reform in Deutschland rechtspolitisch richtige oder falsche Wege gegangen ist, was zur Zeit noch durchaus umstritten ist3)3)Kritisch etwa Bosch, FamRZ 1977, 569 ff; Erklärung des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, FamRZ 1977, 699; Erklärung des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, FamRZ 1977, 700; zur loyalen Einarbeitung der neuen Vorschriften in das System des Familienrechts ruft dagegen Lüke, AcP 178, 1 ff auf., wird jenseits der Grenzen ebenfalls weniger interessieren. Anders steht es insoweit möglicherweise mit den Folgen, die die Entscheidung für die eine oder andere Lösung im allgemeinen bürgerlichen und speziell im Personenrecht auslösen könnte oder bereits zur Folge gehabt hat. Nun wirken natürlich neue Vorschriften je nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt werden, ganz verschieden, so daß gerade in dieser Hinsicht die Studien zu einer anderen Rechtsordnung die eigenen Entschlüsse nicht notwendig beeinflussen müssen. Deshalb können und müssen im Gespräch zwischen den Juristen zweier Länder, in denen über die Reform des Scheidungsrechts nachgedacht wird, die Einzelheiten insoweit zurücktreten, als sie nicht geeignet sind, Zeugnis vom Geist und von den grundlegenden Richtigkeitsvorstellungen des neuen Rechts abzulegen und gleichzeitig zu demonstrieren, welche gesellschaftspolitischen Entwicklungen mit ihrer Anwendung ausgelöst werden können. Hierauf soll auch im folgenden das Gewicht gelegt werden.

Sie möchten den gesamten Inhalt lesen?

Melden Sie sich bei Lexis 360® an.
Anmelden

Sie haben noch keinen Zugang?
Testen Sie Lexis 360® zwei Wochen kostenlos!
Jetzt testen!