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Zum Unterhalt nach Scheidung nach neuem Recht

AufsätzeUniv.-Ass. Dr. Ferdinand KerschnerJBl 1979, 561 Heft 21 und 22 v. 3.11.1979

I. Entstehung der neuen Regelung

Die durch die beiden BG BGBl 1978/280 und 1978/303 zum Abschluß gebrachte Familienrechtsreform bringt neben deren drei Schwerpunkten, nämlich der Neuregelung des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des vielumstrittenen Scheidungsrechts auch Änderungen des Unterhaltsrechts nach Scheidung. Während nun die Neufassung der §§ 66 f EheG, nach der die unterhaltsrechtliche Stellung des Mannes der der Frau in den Fällen der Scheidung wegen Verschuldens angeglichen wurde, vom Gleichberechtigungsgedanken getragen wird, also eine konsequente Fortführung eines der Hauptanliegen der gesamten Reform darstellt, erweist sich der nun gesondert geregelte Unterhaltsanspruch des nach § 55 EheG Geschiedenen als bloße ergänzende und flankierende Maßnahme zur (politisch äußerst umstrittenen) Neufassung des Scheidungstatbestandes der „Heimtrennungsklage“. Deren Inhalt ist wohl hinlänglich bekannt1)1)Dazu zuletzt Krejci, Neues Scheidungsrecht und soziale Sicherheit, JBl 1979, 169; Welser, Die Reform des Ehegüterrechts, Ehescheidungsrechts und Ehegattenerbrechts, Wirtschaftsberichte der CA-BV 1978, 14.. Nach dem neuen Abs 2 des § 55 EheG wird nach dreijähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft dem schuldlosen Ehegatten noch ein „Widerspruchsrecht“ ähnlich der alten Rechtslage belassen2)2)§ 55 Abs 2 EheG verwendet zwar nicht mehr den Begriff „Widerspruch“, sondern stellt auf ein „Verlangen, dem Scheidungsbegehren nicht stattzugeben“, ab, eine sachliche Änderung ist allein dadurch aber nicht eingetreten; zu dieser vgl gleich unten im Text und FN 8., an die Stelle der Prüfung der sittlichen Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Ehe tritt eine Härteklausel mit demonstrativer Aufzählung berücksichtigungswerter Gründe3)3)Ob auch bei bloß wirtschaftlichen Gründen eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 55 Abs 2 EheG vorliegen kann, was nach altem Recht in der Praxis wohl unstreitig war (vgl zB OGH EFSlg 27.421; 20.463; 18.234 uva; dazu auch Schwind in Klang2 I/1, 807), wird unten noch näher untersucht werden.. Kommt dabei dem Verschulden noch eine scheidungserhebliche Bedeutung zu, da das überwiegende oder alleinige Verschulden an der Zerrüttung4)4)Auf dieses Tatbestandsmerkmal des Zerrüttungsverschuldens, das unverändert vom § 55 aF EheG übernommen wurde, wird nun auch bei den unterhaltsrechtlichen Folgen abgestellt; dazu ausführlicher unten bei IV. zwar nicht als positive, aber doch als negative Voraussetzung der Scheidung gilt, ist der völlig neue Abs 3 des § 55 EheG Ausdruck eines reinen Zerrüttungsprinzips5)5)Man könnte sogar anzweifeln, ob es nach § 55 Abs 3 EheG überhaupt einer Zerrüttung der Ehe bedarf und daher nicht schon allein die 6jährige Heimtrennung ausreicht. Nach dem Wortlaut zumindest ist es keineswegs zwingend geboten, die „tiefgreifende, unheilbare Zerrüttung“ des Abs 1 in den Abs 3 hineinzubeziehen. Nach dem JA (917 BlgNR 14. GP) scheint das „jedenfalls“ in Abs 3 zwar nur den Abs 2 zu betreffen, doch müßte man dann konsequenterweise auch den 2. Satz des Abs 1 (keine Scheidung, „wenn die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu erwarten ist“) anwenden, was aber völlig der Absicht des Gesetzgebers zuwider laufen würde. Auch der rechtssystematische Zusammenhang deutet keineswegs zwingend auf einen Zerrüttungstatbestand hin. Sowohl die Überschrift des § 55 EheG („Auflösung der häuslichen Gemeinschaft“) als auch die Marginalien zu den §§ 50 ff EheG („Scheidung aus anderen Gründen“) sind bezüglich des Zerrüttungserfordernisses völlig offen; auch § 52 EheG verlangt mE keine Zerrüttung; aA ist diesbezüglich freilich Schwind (aaO 796), der es als „sinn- und zweckwidrig“ erachtet, eine nicht zerrüttete Ehe zu scheiden; wie dies allerdings mit dem Wortlaut zu vereinbaren ist, sagt Schwind nicht. ME stellt daher § 55 Abs 3 EheG einen völlig eigenständigen, von Abs 1 und 2 unabhängigen Scheidungstatbestand dar; so wohl auch Koziol-Welser, Grundriß4 II, Ergänzungsheft zum Familien- und Erbrecht (1978) 14, wenn sie von einem „absoluten“ Scheidungsgrund sprechen. Dies muß zumindest dahin verstanden werden, daß – wie beim Ehebruch – eine Umkehr der Beweislast bezüglich der Zerrüttung vorliegt. ME ist aber der Einwand, die Ehe sei nicht zerrüttet, überhaupt ausgeschlossen.. Ein Verschulden scheint weder als positives noch negatives Scheidungstatbestandsmerkmal auf6)6)Das Verschulden bleibt aber auch hier bedeutsam für die unterhaltsrechlichen Folgen; vgl § 61 Abs 3 EheG iVm § 69 Abs 2 EheG.. Auf die rechtspolitische Bedeutung dieser Bestimmung ist hier nicht näher einzugehen7)7)Es sei hier nur festgehalten, daß infolge des Scheidungsgrundes des § 55 Abs 3 die Ehe einem Vertrag auf unbestimmte Zeit mit 6jähriger Kündigungsfrist nahe gekommen ist; dies auch dann, wenn man in § 55 Abs 3 EheG keinen „absoluten“ Scheidungsgrund (vgl aber FN 5) sehen sollte, bei dem also nur die 6jährige Heimtrennung Tatbestandsmerkmal wäre. Auch diesfalls hätte es jeder Ehegatte in der Hand, den Ehevertrag nach Ablauf der 6-Jahresfrist aufzulösen, genügt doch zur Ehezerrüttung das Empfinden eines Ehegatten (vgl zB EFSlg 27.370; SZ 36/124; EvBl 1959/34 = EFSlg 2.262 uva), und dessen Behauptung dürfte kaum zu widerlegen sein. Mit diesem Ergebnis: Ehe ist ohne wichtigen Grund kündbarer Vertrag, scheint das Institut der Ehe doch in den Wurzeln getroffen zu sein und die Bewußtseinsbildung zumindest späterer Generationen wird nachhaltig beeinflußt werden; zu den möglichen negativen Auswirkungen von Scheidungserleichterungen auf die Ehe selbst vgl Bosch, Familienrechtsreform (1952) 43 ff mwN; zum Einfluß des Scheidungsrechts auf die allgemeine Eheauffassung Lüderitz, Gutachten für den 48. DJT: Empfiehlt es sich, Gründe und Folgen der Ehescheidung neu zu regeln? Bd I B 64 ff.. Wird schon nach Abs 2 des § 55 EheG

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