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Kündigungszeiten im Hotel- und Gastgewerbe - Überwiegen von Saisonbetrieben nicht belegt

EntscheidungsbesprechungAufsatzGert-Peter ReissnerJAS 2023, 145 - 165 Heft 2 v. 5.7.2023

1. § 1159 Abs 2 letzter Satz und Abs 4 letzter Satz ABGB eröffnet Kollektivvertragspartnern die Möglichkeit, für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen ("Saisonbranchen"), durch vom KollV abweichende Regelungen festzulegen. Mangels Vorgabe in § 1159 ABGB oder in einem Übergangsregime kann diese Festlegung sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der Bestimmung erfolgen.2. Der Begriff "Branche" ist gesetzlich nicht definiert. Grundsätzlich ist dieser Begriff am fachlichen Geltungsbereich von KollV zu orientieren, es sei denn, dies erscheint sachwidrig (zB bei Firmenkollektivverträgen oder Generalkollektivverträgen). Für das Hotel- und Gastgewerbe bestehen auf Arbeitgeberseite zwar verschiedene Fachverbände. Die Kollektivvertragspartner gehen für diesen Bereich aber fachlich von so großen ähnlichen Erfordernissen für die arbeitsrechtlichen Belange der dort beschäftigten AN aus, dass sie den Geltungsbereich des KollV fachlich auf die Hotellerie und die Gastronomie erstreckt haben. Ein sachwidriges Branchenverständnis kommt damit nicht zum Ausdruck.3. Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt nur dann, wenn in der Branche Saisonbetriebe überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbetriebe sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst. Das Überwiegen von Saisonbetrieben kann durch die Kollektivvertragsparteien zwar deklarativ festgehalten, jedoch nicht normativ festgelegt werden. "Überwiegen" bedeutet quantitatives Überwiegen von Saisonbetrieben in der Branche. Es kommt sohin auf die Anzahl der Saisonbetriebe in Relation zur Gesamtanzahl der Betriebe einer Branche an, wobei dies in einem längeren Untersuchungszeitraum zu beurteilen ist.4. Für "Saisonbetriebe" verweist § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB auf § 53 ArbVG. Nach § 53 Abs 6 ArbVG gelten als Saisonbetriebe "Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten". Weder die Vorlage von Sozialversicherungsdaten über die Schwankungsbreite der Beschäftigung im Jahr (oberer und unterer Spitzenwert) noch die Nächtigungsdaten von Beherbergungsbetrieben reichen aus, um das Vorliegen von Saisonbetrieben in diesem Sinn zu belegen. Erstere Daten lassen überdies den Umstand unberücksichtigt, dass es in der Branche auch Betriebe ohne AN geben wird.

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