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Treuwidrige Stimmabgabe und positive Beschlussfeststellung

Gesellschaftsrecht AbhandlungenHans-Georg KoppensteinerGeS 2012, 488 Heft 10 v. 20.12.2012

In einer Entscheidung vom 14.09.2011 hat es der OGH ausdrücklich offen gelassen1)1)6 Ob 197/11f (6 Ob 198/11b), GeS 2011, 440, 449., ob eine treuwidrig abgegebene Stimme als nichtig zu behandeln ist und - damit zusammenhängend - ob ein Beschluss, der ohne die treuwidrige Stimme nicht zustande gekommen wäre, durch positive Beschlussfeststellung (iVm einer erfolgreichen Anfechtungsklage) in sein Gegenteil verkehrt werden kann. Die erste dieser Teilfragen ist umstritten. In Deutschland wird sie überwiegend bejaht2)2)Siehe etwa Zöllner in Baumbach/Hueck19, § 47 Rn 108 mwN auch der Gegenauffassung, solche auch bei Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG4, § 47 Rn 125, zuletzt Roth/Altmeppen, GmbHG7 § 47 Rn 49 f (verneinend), Hellgardt, FS Hopt, 2010, 765, 772 ff (ebenfalls verneinend). Zöllner aaO geht soweit, seine Auffassung als "rechtlich kaum bezweifelbar" zu bezeichnen. An anderer Stelle (FS Lutter, 2000, 821, 825) qualifiziert er die Gegenauffassung als "schwer verständlich"., in Österreich namentlich in der bisherigen Judikatur des OGH eher verneint3)3)S OGH SZ 69/254, OGH 6 Ob 19/06v, GesRZ 2007, 54,57 (treuwidrige Stiime "anfechtbar"), Enzinger in Straube (Hg), Wiener Kommentar zum GmbHG, § 39 Rn 45 mwN, auch der Rechtsprechung (solche auch bei Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3, § 41 Rn 17), zuletzt Harrer, FS Roth, 2011, 211, 213 ff, abweichend namentlich U Torggler, Treuepflichten im faktischen GmbH-Konzern, 142 ff, ders, GesRZ 2007, 131, ferner Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rn 3/140 mwN. Bisher nicht erwogen wurde, ob sich die Frage - jedenfalls für die GmbH und für Österreich - nicht schon wegen § 16 Abs 2 S 3 GmbHG erledigt. Dazu unten III. 1.. Die Antwort auf die zweite Teilfrage ist einfach, wenn angenommen würde, die treuwidrige Stimme sei nichtig. Denn dann müsste sie der Verhandlungsleiter ebenso unberücksichtigt lassen wie bei Verletzungen eines Stimmverbotes etwa nach § 39 Abs 4 GmbHG4)4)In OGH 6 Ob 53/06 x, GeS 2006, 254, 255 mit kritischer Anm Fantur hat der OGH eine verbotswidrige Stimmabgabe als wirksam qualifiziert. Das steht mit eigener früherer Rspr im Widerspruch (vgl Fantur aaO) und trifft mit Sicherheit nicht zu (s Koppensteiner/Rüffler aaO § 39 Rn 17 mwN, ferner etwa Enzinger aaO § 39 Rn 44 mwN, anders allerdings in Rn 13).. Ein dementgegen festgestellter Beschluss ist mit Anfechtungsklage bekämpfbar5)5)Zutreffend ist bemerkt worden (Zöllner, Fn 2, 826 f, 830 f), dass zwischen Beschlussergebnis - es folgt aus den Stimmverhältnissen - und Beschlussfeststellung zu unterscheiden ist. Die Feststellung ist demnach kein notwendiger Bestandteil des Beschlusses (anders jetzt Ernst, FS Leenen, 2012, 1, 6 ff), dabei unterlaufene Fehler keine Beschlussmängel. Dass der richtige Rechtsbehelf in solchen Fällen nach heute ganz herrschender Auffassung die Anfechtungs- und nicht die Feststellungsklage ist, beruht auf mit der Klagefrist zusammenhängenden Rechtssicherheitsgründen.. Das damit verbundene Begehren auf positive Beschlussfeststellung würde sich auf Korrektur eines bloßen Zählfehlers bei Feststellung des Abstimmungsergebnisses richten. Das ist der allgemein akzeptierte Hauptanwendungsfall positiver Beschlussfeststellung und unproblematisch.

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