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Die Arbeiterkammern im Verfassungsgefüge1)1)Den österreichischen Kammern für Arbeiter und Angestellte zum 100. Geburtstag gewidmet; im Text werde ich undifferenziert aus Gründen der besseren Lesbarkeit die traditionelle Bezeichnung "Arbeiterkammer" verwenden. Aus Raumgründen bleiben unionsrechtliche Fragen unerörtert.

AbhandlungenRudolf MüllerDRdA 2020, 17 Heft 1 v. 15.2.2020

Aus verfassungsrechtlicher Sicht war es um die Arbeiterkammern nach ihrer Einrichtung in der ersten Republik zunächst einmal ruhig, ehe sie im Jahre 1933 am Vorabend der Einführung des "Ständestaates" durch die Einrichtung sogenannter "Verwaltungskommissionen" gleichgeschaltet wurden.2)2)Zur Vorgeschichte vgl Cerny, 100 Jahre AKG, in diesem Heft 7 f. Mit der Einrichtung und Besetzung dieser Verwaltungskommissionen wurden noch vor dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die politischen Verhältnisse in den Arbeiterkammern, in denen bis dahin aufgrund der Kammerwahlen die Sozialdemokratie dominiert hatte, dahin verändert, dass eine Mehrheit der Christlichen Gewerkschaften und der sogenannten "unabhängigen" Gewerkschaft der Heimwehren sichergestellt wurde, denen auch der Vorsitz zukam (Näheres siehe Kepplinger/Weidenholzer, Zur Geschichte der österreichischen Arbeiterkammern, in 75 Jahre Kammern für Arbeiter und Angestellte [1995] 26 ff), ein Vorgang an den die aktuellen Maßnahmen der blau-schwarzen Regierung im Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) zur Beseitigung der sozialdemokratischen Mehrheiten in den Gebietskrankenkassen bzw der neu gegründeten Österreichischen Gesundheitskasse frappant erinnern. Die zum Teil auch auf dem Feld der Rechtswissenschaft ausgetragenen interessenpolitischen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit nach 1945 sollten die Wissenschaft und die Verfassungsgerichtsbarkeit ausführlich beschäftigen. Zwei der wichtigsten Diskussionspunkte, die beide die Arbeiterkammer (AK) existentiell in ihren Grundfesten (mit)betroffen haben, waren der Streit um die Vereinbarkeit der Selbstverwaltung an sich mit der Bundesverfassung und jener der Vereinbarkeit des KollV mit dem angeblich geschlossenen Rechtsquellensystem des B-VG.3)3)Vom zweitgenannten Thema wird hier nicht die Rede sein; vgl dazu zB Floretta, Die Rechtsnatur der Quellen des kollektiven Arbeitsrechtes, in Floretta/Kafka, Zur Rechtstheorie des kollektiven Arbeitsrechtes (1970) 7 ff. Von diesen und anderen wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen rund um die AK seit 1945 soll hier die Rede sein.

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