KV-Handelsangestellte: Abschnitt VI.C.a
KV-Handelsarbeiter: Abschnitt V.2.1.3
Die Kollektivverträge für Handelsarbeiter bzw Handelsangestellte sehen ua vor, dass in Betrieben mit Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung, sonst durch schriftliche Einzelvereinbarung die Beschäftigung von Arbeitnehmern an zwei Samstagen innerhalb eines Zeitraumes von 4 Wochen ermöglicht werden kann. Damit wird die maßgebliche Sonderbestimmung für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Verkaufsstellen an Samstag in § 22f ARG näher ausgestaltet, sodass ein Arbeitgeber dem § 22f ARG auch dann zuwiderhandelt und nach § 27 Abs 1 ARG strafbar wird, wenn er die kollektivvertragliche Bestimmung nicht einhält.
VwGH 13. 12. 2018, Ro 2016/11/0013
Sachverhalt
Die Revisionswerberin wurde als verantwortliche Beauftragte eines Handelsunternehmens dafür bestraft, dass nach den vom Arbeitgeber vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen in 28 Fällen im Verkauf tätige Arbeitnehmer im Zeitraum von April bis Juni 2013 an Samstagen beschäftigt worden sind, obwohl bei einer Beschäftigung an zwei Samstagen innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen die übrigen Samstage arbeitsfrei zu bleiben haben. Hiedurch sei Abschnitt VI.C.a des KV-Handelsangestellte bzw Abschnitt V.2.1.3 des KV-Handelsarbeiter iZm § 22f Abs 3 ARG iVm § 27 Abs 1 ARG verletzt worden.
Dagegen brachte die Revisionswerberin vor, dass durch die vom Verwaltungsgericht getroffene Auslegung der fraglichen Bestimmungen eine Normierung von Verwaltungsstrafbestimmungen durch KV-Partner ermöglicht werde, was jedoch nicht zulässig sei. Die Bestimmung des § 22f Abs 3 ARG normiere, dass der KV Sonderbestimmungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern nach § 22f Abs 1 und 2 ARG festlegen könne. Aus den Gesetzesmaterialien zur Vorgängerbestimmung ergebe sich lediglich, dass durch die Ermächtigung zu Sonderregelungen durch KV in ebendiesen die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber geregelt werden sollten, nicht jedoch, dass auch Verwaltungsstrafbestimmungen durch KV normiert werden sollten. Auch unter Berücksichtigung von § 27 ARG, der explizit auf § 22f ARG verweise, lasse sich keine Strafbarkeit einer Kollektivvertragsübertretung ableiten, da eine solche ausdrücklich in § 27 ARG angeführt und mit Klarheit geregelt werden müsse.
Die ordentliche Revision wurde vom VwGH zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Strafbarkeit von Kollektivvertragsvereinbarungen nach dem ARG fehlt. Die Revision wurde aber als unbegründet abgewiesen:
Maßgebliche Rechtsvorschriften
Nach § 22f Abs 1 ARG dürfen Arbeitnehmer in Verkaufsstellen gemäß § 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003 an Samstagen nach 13 Uhr beschäftigt werden, soweit die jeweils geltenden Öffnungszeitenvorschriften das Offenhalten dieser Verkaufsstellen zulassen. Abs 2 sieht eine vergleichbare Ausnahmeregelung für Arbeitnehmer in Betriebseinrichtungen von Dienstleistungsbetrieben vor, die mit Betriebseinrichtungen gemäß § 1 Öffnungszeitengesetz 2003 vergleichbar sind. Der Kollektivvertrag kann Sonderbestimmungen festsetzen (Abs 3).
Arbeitgeber, die § 22f ARG zuwiderhandeln, sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von € 72,- bis € 2.180,- (im Wiederholungsfall von € 145,- bis € 2.180,-) zu bestrafen (§ 27 Abs 1 ARG).
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Die Kollektivverträge für Handelsarbeiter bzw Handelsangestellte sehen ua vor, dass in Betrieben mit Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung, sonst durch schriftliche Einzelvereinbarung die Beschäftigung an zwei Samstagen innerhalb eines Zeitraumes von 4 Wochen ermöglicht werden kann. In diesem Fall haben die übrigen Samstage dieses Zeitraumes arbeitsfrei zu bleiben. Jene Wochen, in denen eine Samstagnachmittagsbeschäftigung aufgrund dieses Abschnittes zulässig ist, bleiben bei der Bemessung des Durchrechnungszeitraumes außer Betracht (Abschnitt VI.C.a KV-Handelsangestellte, Abschnitt V.2.1.3 des KV-Handelsarbeiter).
Auch Verstoß gegen KV-Regelung strafbar
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die betroffenen Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum an mehr als zwei Samstagen innerhalb von vier Wochen nach 13:00 Uhr zu Arbeitsleistungen herangezogen worden waren. Strittig ist lediglich, ob diese - durch die anzuwendenden Kollektivverträge untersagte - Beschäftigung nach § 22f Abs 3 ARG iVm § 27 ARG strafbar ist.
Dem Argument, dass die KV-Partner nicht ermächtigt seien, Verwaltungsstrafbestimmungen zu normieren, hält der VwGH entgegen, dass bereits aus dem klaren Wortlaut des § 27 ARG hervorgeht, dass diese Bestimmung eine für das Verwaltungsstrafrecht typische Blankettstrafnorm darstellt, die explizit auf § 22f ARG verweist. Somit ist § 27 ARG die Bestimmung, die Verhalten unter Strafe stellt (Strafnorm), und nicht der Kollektivvertrag. Von einer Festlegung von Verwaltungsstrafbestimmungen durch die KV-Parteien kann daher keine Rede sein.
Die Wochenendruhe hat gemäß § 3 Abs 2 ARG für alle Arbeitnehmer spätestens am Samstag um 13:00 Uhr zu beginnen. Im Folgenden legt das ARG je nach Sparte unterschiedliche Ausnahmen von diesem Grundsatz fest. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Sonderbestimmung für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen und vergleichbaren Betriebseinrichtungen ist § 22f ARG. Die Vorgängerbestimmung, § 22d ARG idF BGBl I 1997/5, gestattete eine Beschäftigung am Samstag nach 13:00 Uhr grundsätzlich nur, wenn der darauffolgende Samstag zur Gänze arbeitsfrei blieb. § 22d ARG aF wurde mit BGBl I 2003/48 novelliert und erhielt eine mit dem vorliegend relevanten § 22f ARG inhaltsgleiche Textierung. Nach den Materialien zur Novelle sollen die Beschränkungen der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Handel am Samstag Nachmittag "in Zukunft dem Kollektivvertrag überlassen" bleiben; der bisherige § 22d ARG habe sich in der Praxis "als viel zu starr erwiesen" - trotz diverser weitergehender Ausnahmen, ua durch Kollektivvertrag -, "weshalb die gesetzliche Beschränkung ersatzlos fallen soll. Kollektivvertragliche Sonderbestimmungen sollen jedoch weiterhin möglich sein" (RV 80 BlgNR 22. GP ).
Mit der Novelle BGBl I 2003/48 hat der Gesetzgeber somit die genaue Ausgestaltung der für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen und vergleichbaren Betriebseinrichtungen gesetzlich eingeräumten Ausnahme von der Wochenendruhe an Samstag-Nachmittagen zur Gänze in die Hände der KV-Partner gelegt. Mangels gesetzlicher Beschränkung der Anzahl der Samstage, an denen nachmittags gearbeitet werden darf (vgl § 22f Abs 1 ARG), können die ausdrücklich zugelassenen kollektivvertraglichen Sonderbestimmungen nur eine Einschränkung der ansonsten schon im Gesetz selbst umschriebenen Grenzen der Beschäftigung bewirken. Daraus folgt, dass ein Arbeitgeber nur dann der Auffassung sein kann, er halte § 22f ARG ein, wenn er sowohl das in den Abs 1 und 2 umschriebene "Samstagregime" als auch die kollektivvertraglich vereinbarten Sonderbestimmungen hiezu einhält.
§ 27 Abs 1 ARG beschränkt hinsichtlich einzelner Paragrafen (§ 5, § 9, § 22c ARG) die Strafbarkeit des Zuwiderhandelns auf einzelne ausdrücklich genannte Untergliederungen (Absätze bzw Sätze), erklärt im Übrigen aber, auch hinsichtlich § 22f ARG, das Zuwiderhandeln schlechthin für strafbar. Angesichts dieser Rechtssetzungstechnik kann es keinem Zweifel unterliegen, dass jegliche Nichteinhaltung von Pflichten des Arbeitgebers, die in § 22f ARG ihre Grundlage hat, erfasst ist. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitgebers würde dem Gesetzgeber unterstellen, ein unvollständiges und folglich ineffektives Sanktionssystem normiert zu haben, dies umso mehr, als er, wie dargestellt, Sonderbestimmungen in Kollektivverträgen im Blick hatte.
Es kann somit entgegen den Revisionsausführungen kein Zweifel daran bestehen, dass ein Arbeitgeber dem § 22f ARG auch dann zuwiderhandelt und nach § 27 Abs 1 ARG strafbar wird, wenn er - wie im vorliegenden Fall - eine durch Kollektivvertrag festgelegte Sonderbestimmung für die Beschäftigung an Samstagen nicht einhält.