29.2.1 Auszahlende Stelle bzw. Schuldner bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital
Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 liegen inländische Einkünfte vor, wenn sich die auszahlende Stelle nach § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 im Inland befindet.Bei Einkünften aus
- der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 EStG 1988,
- § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 und
- Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten
liegen auch dann inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Ist dies der Fall, ist der inländische Schuldner zugleich nach § 95 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 Abzugsverpflichteter, selbst wenn auch eine inländische auszahlende Stelle vorliegt.
Abzugsverpflichteter inländischer Schuldner ist daher
- bei Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteilen, Partizipationsscheinen im Sinne des Bankwesen- und Versicherungsaufsichtsgesetzes, Substanzgenussrechten und Anteilen aus körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften die jeweilige Körperschaft;
- bei Zuwendungen gemäß § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 die Privatstiftung;
- bei Zinsen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten das jeweilige Kreditinstitut.
Beispiele:
1. Anleger A hält Aktien an der inländischen X-AG auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; die X-AG schüttet Dividenden aus. Die X-AG hat als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge die KESt einzubehalten.
2. Anleger B hält Aktien an der deutschen Y-AG auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; die Y-AG schüttet Dividenden aus. Die österreichische Bank hat als inländische auszahlende Stelle die KESt einzubehalten.
3. Anleger C hält Aktien an der deutschen Z-AG auf seinem Depot bei einer ausländischen Bank; die Z-AG schüttet Dividenden aus. Die Dividenden unterliegen mangels inländischem Schuldner und inländischer auszahlender Stelle keinem KESt-Abzug, sind aber im Rahmen der Veranlagung zu erklären und mit dem besonderen Steuersatz von 27,5% (bis 31.12.2015 25%) zu besteuern.
4. Anleger D hält Anleihen an einem österreichischen Unternehmen und an einem deutschen Unternehmen auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank; bei Kuponauszahlung hat in beiden Fällen die österreichische Bank als inländische auszahlende Stelle die KESt einzubehalten.
5. Anleger E hat ein Sparbuch bei seiner österreichischen Bank. Für die Zinsen hat diese als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge die KESt einzubehalten.
6. Anleger F erhält Zuwendungen von der österreichischen A-Privatstiftung und der ausländischen B-Stiftung; beide Zuwendungen werden auf seinem Konto bei einer österreichischen Bank gutgeschrieben. Die A-Privatstiftung hat als inländische Schuldnerin der Kapitalerträge KESt für die Zuwendung einzubehalten; die Zuwendung der B-Stiftung unterliegt keinem KESt-Abzug.
- der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung nach § 95 Abs. 1 EStG 1988 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder
- der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Vor einer Vorschreibung der Kapitalertragsteuer beim Empfänger der Kapitalerträge ist zu prüfen, ob beim Abzugsverpflichteten die Haftung nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre bzw. ist. Die festgestellten Gründe der erschwerten Durchsetzbarkeit sind vom Finanzamt im Bescheid anzuführen.
Eine nicht durchsetzbare Haftung ist beispielsweise bei
- Vollbeendigung einer Gesellschaft oder der Löschung einer Gesellschaft nach den §§ 39 und 40 FBG sowie
- einer fehlenden und nicht feststellbaren (Zustell-)Adresse
gegeben.
Eine erschwerte Durchsetzbarkeit der Haftung ist beispielsweise bei
- mangelndem Vermögen zur Begleichung der Haftungsschuld,
- erfolglosen Einbringungsversuchen der gesamten oder einem Teil der Haftungsschuld oder
- der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Haftungsschuldners
anzunehmen.
Für die Auslegung des Begriffes "Kreditinstitut" ist § 1 BWG maßgeblich. Als inländisches Kreditinstitut gelten dabei aufgrund der inländischen Geschäftsleitung insbesondere auch inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute im Sinne des § 2 Z 16 BWG.Geldeinlagen bei Kreditinstituten sind insbesondere Spareinlagen zu Sparbüchern einschließlich Prämiensparbüchern, Sparbriefen sowie Kapitalsparbüchern, weiters Einlagen bei Bausparkassen, Termineinlagen, Festgelder und Sichteinlagen, jeweils in Euro oder Fremdwährung.Nimmt ein Kreditinstitut als Treuhänder von einem Dritten Geldeinlagen an, werden diese Gelder aufgrund der auch im Bereich der Kapitalertragsteuer zu beachtenden Grundsätze des § 24 Abs. 1 lit. b und c BAO nicht ihr, sondern dem Treugeber zugerechnet. Werden die Einlagen vom Treuhänder nicht an ein weiteres Kreditinstitut weitergegeben, besteht für die Zinserträge daher keine Steuerpflicht.
Als Geldeinlagen bei einem Kreditinstitut gelten jedoch jene von Kreditinstituten treuhändig aufgenommenen Einlagen, für deren Verlust das Kreditinstitut das wirtschaftliche Risiko trägt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Treugeber ein Kreditinstitut beauftragt, für ihn Geld aufzunehmen und dieses oder ein anderes Kreditinstitut gegenüber dem Anleger eine Garantie für das eingelegte Kapital übernimmt. Gleiches gilt für Gelder, die von einem Kreditinstitut nicht als Einlagen, sondern nur zur Verwaltung hereingenommen werden und für deren Verlust das Kreditinstitut das wirtschaftliche Risiko übernimmt. Dies kann insbesondere bei sogenannten Widmungseinlagen der Fall sein. Es handelt sich dabei um Gelder, die der Anleger einem Kreditinstitut mit einer bestimmten Verwendungsauflage (zB Verwendung zu Kreditzwecken) zur Verwaltung überlässt.
Zinserträge aus sonstigen Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten unterliegen nur dann der Kapitalertragsteuerpflicht, wenn diesen Forderungen ein Bankgeschäft zu Grunde liegt (§ 27a Abs. 2 Z 1 EStG 1988). Dies ist etwa der Fall, wenn ein Anleger einem Kreditinstitut ein verzinsliches Darlehen einräumt. Keine Kapitalertragsteuerpflicht besteht hingegen zB für Verzugszinsen, die ein Kreditinstitut auf Grund eines von ihm abgeschlossenen Kaufvertrages bezahlt. Sehr wohl kapitalertragsteuerpflichtig sind dagegen Verzugszinsen, die aus der Rückabwicklung eines Wertpapiergeschäftes (zB aufgrund falscher Anlegerinformation) stammen.In allen anderen Fällen ist gemäß § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 die inländische auszahlende Stelle Abzugsverpflichtete. Als auszahlende Stelle im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 kommen in Betracht:- das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt,
- der inländische Emittent, der an den Kuponinhaber solche Kapitalerträge auszahlt,
- die Zweigstelle eines Dienstleisters mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der auf Grund der Richtlinie 2013/36/EU , ABl. Nr. L 176 vom 27.06.2013 S. 338, oder auf Grund der Richtlinie 2004/39/EG , ABl. Nr. L 145 vom 30.04.2004 S. 1, in der Fassung der Richtlinie 2010/78/EU , ABl. Nr. L 331 vom 15.12.2010 S. 120, zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen im Inland berechtigt ist,
- eine Wertpapierfirma im Sinne des § 3 WAG 2018, die an den Kuponinhaber solche Kapitalerträge auszahlt,
- ein Dritter, der Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 5 Z 1 und 2 EStG 1988 gewährt und
- bei ausländischen Kapitalerträgen im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c EStG 1988 das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge auszahlt.
Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren ist zu unterscheiden, von wem die Kapitalerträge an den Kuponinhaber ausbezahlt (gutgeschrieben) werden (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988):
- Erfolgt die Auszahlung durch ein inländisches Kreditinstitut oder eine inländische Wertpapierfirma, sind diese Stellen zum Steuerabzug verpflichtet. Die Abzugsverpflichtung besteht daher sowohl bei Auszahlung von Kapitalerträgen aus eigenen Emissionen als auch bei Auszahlung von Kapitalerträgen aus fremden Emissionen. Die Abzugspflicht ist dabei nicht davon abhängig, ob das Wertpapier beim betreffenden Kreditinstitut bzw. der Wertpapierfirma hinterlegt ist. Erfolgt die Auszahlung durch ein ausländisches Kreditinstitut oder eine ausländische Wertpapierfirma, findet kein Kapitalertragsteuerabzug statt.
- Der inländische Emittent ist hingegen nur zum Steuerabzug verpflichtet, wenn er die Zinsen direkt an den (in- oder ausländischen) Kuponinhaber auszahlt; die Abzugsverpflichtung besteht in diesem Fall auch, wenn der Emittent kein Kreditinstitut ist (wie bspw. eine Körperschaft öffentlichen Rechts).
Der Anrechnungsbetrag ist einerseits begrenzt durch die tatsächlich entrichtete ausländische Quellensteuer, andererseits durch einen Anrechnungshöchstsatz von 15% des Kapitalertrages. Diese Anrechnung der tatsächlich entrichteten ausländischen Quellensteuer von bis zu 15% der Kapitalerträge gilt gemäß § 1 Abs. 2 Auslands-KESt VO 2012, BGBl. II Nr. 92/2012, auch für Kapitalerträge aus Quellenstaaten, mit denen kein DBA besteht.
Als Bescheinigung im Sinne des § 96 Abs. 4 EStG 1988 reichen beim Steuerabzug von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren grundsätzlich alle Unterlagen aus, aus denen die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer ersichtlich ist (Sparbuch, Depotauszug). Eine Aufteilung der Beträge an Kapitalertragsteuer auf unterschiedlich verzinste Einlagezeiträume ist nicht erforderlich.Eine vollständige Bescheinigung ist allerdings dann auszustellen, wenn der Anleger dies wegen einer Anrechnung der Kapitalertragsteuer im Zuge der Veranlagung verlangt.
In allen anderen Fällen, in denen die Kapitalerträge nicht durch ein Kreditinstitut gezahlt werden, hat der Abzugsverpflichtete dem Empfänger der Kapitalerträge eine vollständige Bescheinigung nach § 96 Abs. 4 EStG 1988 zu erteilen. Diese Bescheinigung hat zu enthalten:
- die Höhe der Einkünfte und des Steuerbetrages
- den Zahlungstag der Einkünfte
- die Zeit, für welche die Einkünfte gezahlt worden sind, und
- das Finanzamt, an das der Steuerbetrag abgeführt worden ist.