Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Folgendes:
- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden. Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung.
Ab dem 1.1.2013 können somit Fehler der Veranlagungszeiträume ab 2003 auch dann mit steuerlicher Wirkung berichtigt werden, wenn sie - ohne diese Bestimmung - auf Grund des Nachholverbotes wegen eingetretener Verjährung keine steuerliche Auswirkung hätten.
Das Inkrafttreten orientiert sich an der Frist von zehn Jahren für den Eintritt der absoluten Verjährung (§ 209 Abs. 3 BAO). Unter Zugrundelegung dieser Frist bleibt eine ab 2013 erfolgende Bilanzberichtigung für Fehler bis 2002 jedenfalls ohne Auswirkung.
Beispiel:
Im Jahr 2000 wurde ein aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand von 200.000 Euro (dafür maßgebliche Abschreibungsdauer 20 Jahre) zu Unrecht sofort als Betriebsausgabe behandelt. Der Fehler wird 2013 entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt ist das letzte nicht verjährte Jahr das Jahr 2007.
Richtigerweise hätte der Herstellungsaufwand im Jahr 2000 aktiviert und in den Jahren 2000 bis 2019 im Wege der AfA in Höhe von jeweils 10.000 Euro berücksichtigt werden müssen. Da Fehler vor 2003 von der Berichtigungsmöglichkeit nicht erfasst sind, kommen für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (nur) die Jahre 2003 bis 2006 und die dort nicht berücksichtigte AfA als Abschlag in Höhe von insgesamt 40.000 Euro in Betracht.
Die Berücksichtigung dieses Abschlages bei der Veranlagung 2007 würde allerdings dem Grundgedanken der Regelung, zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes beizutragen, entgegenlaufen:
Die dazu notwendige Korrektur (auch) der Jahre 2000 bis 2002 im Wege eines Zuschlages von insgesamt 170.000 Euro (Zuschlag von 200.000 für das Jahr 2000 sowie Abschlag für die AfA der Jahre 2000 bis 2002 iHv insgesamt 30.000 Euro) erfolgt nicht.
- Ohne Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 werden (über die gesamte ND) insgesamt 330.000 Euro (statt 200.000 Euro) aufwandswirksam berücksichtigt, nämlich 200.000 Euro im Jahr 2000 und 130.000 Euro als AfA für 2007 bis 2019.
- Mit Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 würden hingegen 370.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt, da die AfA der Jahre 2003 bis 2006 in Höhe von insgesamt 40.000 Euro zusätzlich als Abschlag aufwandswirksam wäre. Dieses Ergebnis ist vom richtigen Totalergebnis weiter entfernt als das Ergebnis ohne Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988.
Die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 verlangt einen wirksamen Verfahrenstitel, der - ohne Verjährung - eine Bescheidänderung ermöglichen würde. Eine beantragte Wiederaufnahme kommt dafür im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, da für den Antragsteller keine Tatsachen neu hervorgekommen sind (vgl. Rz 652f). Eine amtswegige Wiederaufnahme hat im gegenständlichen Fall im Rahmen der Ermessensübung zu unterbleiben (vgl. Rz 652k).
Die steuerwirksame Korrektur über einen Zu- oder Abschlag trägt dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes Rechnung. Durch die Bestimmung wird die Erfassung des richtigen Totalgewinnes - unter Aufrechterhaltung des Bilanzzusammenhanges - sichergestellt und eine sachlich gebotene konsistente Einmalerfassung betrieblicher Vorgänge erreicht.
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 ist anzuwenden auf Fehler aus verjährten Veranlagungsjahren, deren Folgewirkungen in noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen (periodenübergreifende Fehlerwirkung). Sie führt im Ergebnis zu einer steuerwirksamen Nachholung aller in den verjährten Zeiträumen eingetretenen gewinnwirksamen Fehler im ersten noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum. Der Zu- oder Abschlag ist somit der Saldo aus den steuerlichen Korrekturen betreffend die bereits verjährten Zeiträume.Die Bestimmung ist anwendbar, wenn eine Bilanzberichtigung einen Bilanzansatz der Eröffnungsbilanz des Wirtschaftsjahres des ersten nicht verjährten Veranlagungsjahres betrifft und sich daraus Auswirkungen auf den Totalgewinn ergeben. Eine steuerwirksame Bilanzberichtigung würde die Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen in der Schlussbilanz fordern. Im Interesse der Aufrechterhaltung des Bilanzzusammenhanges erfolgt eine Korrektur in Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 jedoch nicht in der Schlussbilanz, sondern außerbilanziell durch einen Zu- oder Abschlag. Die Bestimmung tritt somit hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen an die Stelle einer (erfolgswirksamen) Korrektur dieser Fehler in der Schlussbilanz. Sie ist daher anwendbar, wenn eine im ersten nicht verjährten Zeitraum vorgenommene Berichtigung der Schlussbilanz steuerliche Auswirkungen entfalten würde, die aber infolge der Berichtigung der Eröffnungsbilanz nicht eintreten.Unterlassene steuerliche Adaptierungen der UGB-Bilanz im Wege der Mehr-Weniger-Rechnung können dann nicht im Wege des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 korrigiert werden, wenn tatsächlich eine richtige Steuerbilanz vorliegt (vgl. VwGH 22.9.2021, Ro 2020/15/0026 zu einer steuerlichen Einbringungsbilanz).
Insbesondere können folgende Fehler zu einem Zu- oder Abschlag führen:- Herstellungsaufwand wurde sofort abgesetzt statt aktiviert; bei einer unterlassenen AfA, die auf eine in der Vergangenheit rechtswidrig unterbliebene Bilanzierung eines Wirtschaftsgutes oder eines Erhaltungsaufwandes zurückzuführen ist, ist § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 anwendbar, wenn bei rechtmäßiger Bilanzierung in der Eröffnungsbilanz des ältesten nicht verjährten Jahres noch ein Buchwert vorhanden ist, welcher zumindest für dieses Jahr noch einer AfA zugänglich ist (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011);
- Erhaltungsaufwand wurde aktiviert statt sofort abgesetzt;
- Der AfA wurde eine falsche Nutzungsdauer zu Grunde gelegt (dabei sind allfällige Nutzungsentnahmen mitzuberücksichtigen) (zur Bedeutung subjektiver Richtigkeit siehe Rz 3119);
- Der Ermittlung des Ausmaßes einer Nutzungseinlage auf Grund der betrieblichen Nutzung eines privaten Wirtschaftsgutes wurde eine falsche Nutzungsdauer dieses Wirtschaftsgutes zu Grunde gelegt;
- Ein selbst hergestelltes unkörperliches Wirtschaftsgut wurde zu Unrecht aktiviert;
- Eine Rückstellung wurde unrichtig gebildet oder unterlassen. Bei Ansammlungsrückstellungen (zB Pensionsrückstellungen) liegt die Wurzel sowohl im Wirtschaftsjahr der erstmaligen wirtschaftlichen Veranlassung als auch - in Folge der zeitanteiligen Bildung - in den folgenden Wirtschaftsjahren. Daher ist bei Ansammlungsrückstellungen, die erstmals vor 2003 zu bilden waren, für unrichtige oder unterlassene Dotierungen ab 2003 eine Fehlerberichtigung nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zulässig.
- Eine Teilwertabschreibung/Zuschreibung wurde unrichtig vorgenommen oder unterlassen. Zur Zuschreibung bei Beteiligungen siehe insbesondere Rz 2584.
- Eine Verbindlichkeit/Forderung aus einem Aufwand/Ertrag wird in einem falschen Wirtschaftsjahr erfasst.
- Eine Entnahmebesteuerung durch Ansatz des Teilwertes ist zu Unrecht unterblieben (gemäß § 6 Z 4 EStG 1988 tritt für nachfolgende steuerrelevante Sachverhalte, zB eine Grundstücksveräußerung gemäß § 30 EStG 1988, der Entnahmeteilwert an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten).
Beispiele:
- 1. Im verjährten Jahr 01 wurde Herstellungsaufwand von 300.000 Euro (Nutzungsdauer 10 Jahre) sofort abgesetzt. Die Bilanzberichtigung erfordert die Aktivierung des Herstellungsaufwands in 01 und eine Fortentwicklung des Buchwerts unter Berücksichtigung einer AfA von 30.000 Euro pro Wirtschaftsjahr. Im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 beträgt der Buchwert in der Eröffnungsbilanz daher 210.000 Euro; die AfA des Jahres 04 beträgt 30.000 Euro und der Buchwert in der Schlussbilanz 180.000 Euro. Zusätzlich ist im Jahr 04 ein Gewinnzuschlag von 210.000 Euro (300.000 - 3 x 30.000) anzusetzen, sodass nach der Veranlagung des Jahres 04 in Summe 120.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt worden sind.
- 2. Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 100.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 10 Jahren abgeschrieben, wobei eine Privatnutzung im Ausmaß von 20% über eine Nutzungsentnahme berücksichtigt wird. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das Wirtschaftsgut mit einem Buchwert von 50.000 Euro in der Eröffnungsbilanz. Die Bilanzberichtigung führt zu einem Buchwertansatz in Höhe des Erinnerungswertes von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz 06. Durch einen Abschlag von 49.999 Euro wird die AfA betreffend den verjährten Zeitraum korrigiert. Durch die zu geringe AfA wurde in den Vorjahren aber auch eine zu geringe Nutzungsentnahme angesetzt. Dies ist daher im Rahmen des Abschlages für die AfA in Form eines Zuschlages in Höhe von 10.000 Euro (5 x 2.000 = Differenz zur bisher angesetzten Nutzungsentnahme) zur Herstellung des korrekten Ausmaßes der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen. Die AfA betreffend den verjährten Zeitraum ist daher letztlich durch einen Abschlag in Höhe von 39.999 Euro zu korrigieren.
- 3. Im verjährten Jahr 01 wäre nach § 198 Abs. 8 UGB eine Rückstellung anzusetzen gewesen, der Steuerpflichtige hat sie jedoch
a) überhaupt nicht angesetzt,
b) erst im Jahr 05 angesetzt.
Der Rückstellungsgrund ist nach wie vor aufrecht.
In beiden Fällen ist die Rückstellung im Rahmen der Bilanzberichtigung für das Jahr 01 einzustellen und gegebenenfalls fortzuentwickeln. Die Rückstellung ist somit im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 in zutreffender Höhe in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen. Gleichzeitig ist in 04 ein Abschlag unter Beachtung von § 9 EStG 1988 vorzunehmen.
Im Fall b) ist zusätzlich die unrichtige Rückstellungsdotierung in 05 gewinnerhöhend zu korrigieren.
- 1. Im verjährten Jahr 01 wurde Herstellungsaufwand von 300.000 Euro (Nutzungsdauer 10 Jahre) sofort abgesetzt. Die Bilanzberichtigung erfordert die Aktivierung des Herstellungsaufwands in 01 und eine Fortentwicklung des Buchwerts unter Berücksichtigung einer AfA von 30.000 Euro pro Wirtschaftsjahr. Im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 beträgt der Buchwert in der Eröffnungsbilanz daher 210.000 Euro; die AfA des Jahres 04 beträgt 30.000 Euro und der Buchwert in der Schlussbilanz 180.000 Euro. Zusätzlich ist im Jahr 04 ein Gewinnzuschlag von 210.000 Euro (300.000 - 3 x 30.000) anzusetzen, sodass nach der Veranlagung des Jahres 04 in Summe 120.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt worden sind.
- 2. Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 100.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 10 Jahren abgeschrieben, wobei eine Privatnutzung im Ausmaß von 20% über eine Nutzungsentnahme berücksichtigt wird. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das Wirtschaftsgut mit einem Buchwert von 50.000 Euro in der Eröffnungsbilanz. Die Bilanzberichtigung führt zu einem Buchwertansatz in Höhe des Erinnerungswertes von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz 06. Durch einen Abschlag von 49.999 Euro wird die AfA betreffend den verjährten Zeitraum korrigiert. Durch die zu geringe AfA wurde in den Vorjahren aber auch eine zu geringe Nutzungsentnahme angesetzt. Dies ist daher im Rahmen des Abschlages für die AfA in Form eines Zuschlages in Höhe von 10.000 Euro (5 x 2.000 = Differenz zur bisher angesetzten Nutzungsentnahme) zur Herstellung des korrekten Ausmaßes der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen. Die AfA betreffend den verjährten Zeitraum ist daher letztlich durch einen Abschlag in Höhe von 39.999 Euro zu korrigieren.
- 3. Im verjährten Jahr 01 wäre nach § 198 Abs. 8 UGB eine Rückstellung anzusetzen gewesen, der Steuerpflichtige hat sie jedoch
- 4. Eine einen Aufwand betreffende betriebliche Verbindlichkeit in Höhe von 20.000 Euro wäre im Jahr 01, das ist das Jahr des Anfallens des Aufwandes, zu passivieren gewesen. Stattdessen wurde der Aufwand im Zahlungsjahr 04 erfasst. Die Bilanzberichtigung führt zum Ausweis einer Verbindlichkeit in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Veranlagungsjahres 03. In diesem Jahr ist ein Abschlag von 20.000 Euro anzusetzen. Im Jahr 04 ist die Verbindlichkeit erfolgsneutral auszubuchen und die unrichtige Erfassung des Aufwandes gewinnerhöhend zu korrigieren. Die Berücksichtigung des Aufwandes des (verjährten) Jahres 01 wird somit im Jahr 03 nachgeholt.
- 5. In Bezug auf eine Beteiligung (Anschaffungskosten 100.000 Euro) wurde im Jahr 01 eine Teilwertabschreibung von 30.000 Euro vorgenommen. Eine Zuschreibung wegen Wegfalls der Gründe für die Teilwertabschreibung wäre im verjährten Jahr 03 vorzunehmen gewesen, ist aber unterblieben. Auf Grund der Bilanzberichtigung steht die Beteiligung in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Jahres 05 mit 100.000 Euro zu Buche. Es ist im Jahr 05 ein Zuschlag von 30.000 Euro gewinnerhöhend anzusetzen.
Die Bildung einer Rückstellung bewirkt nur die periodenrichtige Zuordnung eines Aufwandes. Steht der Abzug eines Aufwandes dem Grunde nach nicht zu, kann eine dafür zu Unrecht in einem verjährten Jahr gebildete Rückstellung nicht mittels eines Zuschlages nach § 4 Abs. 2 EStG 1988 berichtigt werden.
Beispiele:
- 1. Im verjährten Jahr 01 wurde Herstellungsaufwand von 300.000 Euro (Nutzungsdauer 10 Jahre) sofort abgesetzt. Die Bilanzberichtigung erfordert die Aktivierung des Herstellungsaufwands in 01 und eine Fortentwicklung des Buchwerts unter Berücksichtigung einer AfA von 30.000 Euro pro Wirtschaftsjahr. Im ersten noch nicht verjährten Jahr 04 beträgt der Buchwert in der Eröffnungsbilanz daher 210.000 Euro; die AfA des Jahres 04 beträgt 30.000 Euro und der Buchwert in der Schlussbilanz 180.000 Euro. Zusätzlich ist im Jahr 04 ein Gewinnzuschlag von 210.000 Euro (300.000 - 3 x 30.000) anzusetzen, sodass nach der Veranlagung des Jahres 04 in Summe 120.000 Euro aufwandswirksam berücksichtigt worden sind.
- 2. Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 100.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 10 Jahren abgeschrieben, wobei eine Privatnutzung im Ausmaß von 20% über eine Nutzungsentnahme berücksichtigt wird. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das Wirtschaftsgut mit einem Buchwert von 50.000 Euro in der Eröffnungsbilanz. Die Bilanzberichtigung führt zu einem Buchwertansatz in Höhe des Erinnerungswertes von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz 06. Durch einen Abschlag von 49.999 Euro wird die AfA betreffend den verjährten Zeitraum korrigiert. Durch die zu geringe AfA wurde in den Vorjahren aber auch eine zu geringe Nutzungsentnahme angesetzt. Dies ist daher im Rahmen des Abschlages für die AfA in Form eines Zuschlages in Höhe von 10.000 Euro (5 x 2.000 = Differenz zur bisher angesetzten Nutzungsentnahme) zur Herstellung des korrekten Ausmaßes der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen. Die AfA betreffend den verjährten Zeitraum ist daher letztlich durch einen Abschlag in Höhe von 39.999 Euro zu korrigieren.
- 3. Im verjährten Jahr 01 wäre nach § 198 Abs. 8 UGB eine Rückstellung anzusetzen gewesen, der Steuerpflichtige hat sie jedoch
- 4. Eine einen Aufwand betreffende betriebliche Verbindlichkeit in Höhe von 20.000 Euro wäre im Jahr 01, das ist das Jahr des Anfallens des Aufwandes, zu passivieren gewesen. Stattdessen wurde der Aufwand im Zahlungsjahr 04 erfasst. Die Bilanzberichtigung führt zum Ausweis einer Verbindlichkeit in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Veranlagungsjahres 03. In diesem Jahr ist ein Abschlag von 20.000 Euro anzusetzen. Im Jahr 04 ist die Verbindlichkeit erfolgsneutral auszubuchen und die unrichtige Erfassung des Aufwandes gewinnerhöhend zu korrigieren. Die Berücksichtigung des Aufwandes des (verjährten) Jahres 01 wird somit im Jahr 03 nachgeholt.
- 5. In Bezug auf eine Beteiligung (Anschaffungskosten 100.000 Euro) wurde im Jahr 01 eine Teilwertabschreibung von 30.000 Euro vorgenommen. Eine Zuschreibung wegen Wegfalls der Gründe für die Teilwertabschreibung wäre im verjährten Jahr 03 vorzunehmen gewesen, ist aber unterblieben. Auf Grund der Bilanzberichtigung steht die Beteiligung in der Eröffnungsbilanz des ersten nicht verjährten Jahres 05 mit 100.000 Euro zu Buche. Es ist im Jahr 05 ein Zuschlag von 30.000 Euro gewinnerhöhend anzusetzen.
- 1. In einem bereits verjährten Veranlagungszeitraum wurde eine bezahlte Geldstrafe entgegen § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 als Betriebsausgabe behandelt. Es ist kein Zuschlag anzusetzen (keine periodenübergreifende Fehlerwirkung).
- 2. Ein Wirtschaftsgut wurde im Jahr 01 um 10.000 Euro angeschafft und unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 3 Jahren abgeschrieben. Richtig wäre der Ansatz einer Nutzungsdauer von 5 Jahren. Im ersten nicht verjährten Veranlagungsjahr 06 steht das WG mit dem Erinnerungswert von 1 Euro in der Eröffnungsbilanz. Ungeachtet der Bilanzberichtigungen der Jahre 01 bis 05 ist im Jahr 06 kein Zu- oder Abschlag vorzunehmen, weil das Jahr 06 von einer Bilanzberichtigung nicht (mehr) betroffen ist und der insgesamt richtige Totalgewinn der Besteuerung zu Grunde gelegt wurde.
- 3. Zur Errichtung eines Privatgebäudes wurde ein Kredit aufgenommen. Dieser wurde als Betriebskredit behandelt. In weiterer Folge wurde die Kreditverbindlichkeit auf Grund der Änderung des Wechselkurses gewinnmindernd auf den höheren Teilwert aufgewertet. Diese zu Unrecht berücksichtigte Aufwertung kann in den folgenden Jahren nicht gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 korrigiert werden, weil die Verbindlichkeit von Anfang an nicht zum Betriebsvermögen gehörte und somit die unrichtige Aufwertung keinen periodenübergreifenden Fehler bewirkt.
Die unrichtige Verrechnung eines Verlustabzuges in Vorperioden, weil in diesen Vorperioden bei einem Einnahmen-Ausgaben-Rechner Betriebsausgaben zu niedrig angesetzt wurden, ist kein nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu berücksichtigender Fehler. Während § 4 Abs. 2 EStG 1988 bei der Einkünfteermittlung eine Rolle spielt, erfolgt der Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 im Rahmen der Einkommensermittlung (BFG 25.7.2018, RV/5101244/2014).
Eine auf § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gestützte Änderung eines rechtskräftigen Bescheides setzt voraus, dass ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden kann. Daher ist die Bestimmung nur dann anwendbar, wenn ein Verfahrenstitel vorliegt, der es ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren und der Einsatz dieses Verfahrenstitels bloß deswegen nicht möglich ist, weil dem die eingetretene Verjährung entgegensteht. Auf diese Weise bestehen für eine Fehlerberichtigung in Bezug auf verjährte Zeiträume dieselben verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft, wie sie für eine derartige Maßnahme in Bezug auf nicht verjährte Zeiträume bestehen. Würde daher - bei Wegdenken der eingetretenen Verjährung - kein Verfahrenstitel vorliegen, um den rechtskräftigen Bescheid zu ändern, kommt eine solche auch nicht durch Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 iVm § 293b BAO in Betracht.Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO als Verfahrenstitel ist zu beachten, dass Tatsachen, die dem Steuerpflichtigen schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, keinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eröffnen. Die Kenntnis eines Rechtsvertreters ist dabei der antragstellenden Person zuzurechnen (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
Die tatbestandsmäßige Bezugnahme auf die Verjährung bedeutet auch, dass in Fällen kein Zu- oder Abschlag möglich ist, in denen der unrichtige Bilanzansatz ein noch nicht verjährtes Jahr betrifft. Diesbezüglich kann eine Richtigstellung im betreffenden Jahr im Rahmen der bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolgen (siehe Rz 649).Eine in einem Vorjahr erfolgte Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO aus Anlass des Ansatzes eines Zu- oder Abschlages stellt für Folgejahre einen Grund für eine Bescheidänderung gemäß § 295 Abs. 3 BAO dar.
Ein Zu- oder Abschlag gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist im Rahmen der Gewinnermittlung des jeweiligen Betriebes zu erfassen. Er führt zu einem entsprechend erhöhten/verminderten Betriebsergebnis (Gewinn/Verlust).Ist der Betrieb unter Buchwertfortführung unentgeltlich auf einen Rechtsnachfolger übergegangen, erfolgt die Erfassung des Zu-/Abschlages in Anwendung des § 6 Z 9 EStG 1988 beim Rechtsnachfolger in dessen ersten nicht verjährten Veranlagungszeitraum.
Das Unterbleiben der Fehlerkorrektur wird gesetzlich als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO fingiert. Dies ist für den Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheides maßgeblich, in dem ein Zu- oder Abschlag zu berücksichtigen gewesen wäre, dies aber unterblieben ist. Die erforderliche Korrektur kann dann im Rahmen einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO erfolgen.Demnach darf ein rechtskräftiger Bescheid nur für Zwecke einer Berichtigung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 geändert werden (Teilrechtskraftdurchbrechung einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO). Steht für das Jahr, in dem der Zu- oder Abschlag vorzunehmen ist, allerdings ein anderer Verfahrenstitel zur Verfügung (zB eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen), ist die Fehlerberichtigung bereits im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmen.
Die Fehlerkorrektur ist stets in jenem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, zu dem - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - die Richtigstellung frühestmöglich erfolgen kann. Der Zuschlag/Abschlag ist jenem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, das in diesem Veranlagungszeitraum endet. Enden in dem Veranlagungszeitraum mehrere Wirtschaftsjahre, ist der Zuschlag/Abschlag dem ersten Wirtschaftsjahr zuzurechnen.Beispiel:
Im Jahr 10 wird festgestellt, dass Herstellungsaufwand im Jahr 01 zu Unrecht nicht unter Zugrundelegung einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren aktiviert, sondern sofort gewinnmindernd berücksichtigt worden ist. Die Jahre 01 bis 09 sind rechtskräftig veranlagt. Im Jahr 10 ist für Abgabenansprüche der Jahre vor 04 Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Fehlerkorrektur kann daher nur im Veranlagungsjahr 04 erfolgen. Der Bescheid des Jahres 04 ist im Wege des § 293b BAO zu berichtigen. Rechtskräftige Bescheide der Folgejahre sind gegebenenfalls gemäß § 295 Abs. 3 BAO zu korrigieren.
Da sich die Ermessensübung nach ständiger Rechtsprechung (vgl. ua. VwGH 31.3.1998, 93/13/0130) vor allem am Zweck der Norm zu orientieren hat, kommt die Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Fällen nicht in Betracht, in denen sie der Erreichung der Totalgewinngleichheit deswegen entgegenläuft, weil eine vollständige Fehlerkorrektur infolge der Nichtberücksichtigung von Fehlern der Jahre bis 2002 nicht erreicht werden kann (siehe Rz 652).
Im Rahmen der Ermessensübung ist es einerseits möglich, (im Verhältnis zum Totalgewinn oder -verlust) geringfügige steuerliche Auswirkungen nicht zu korrigieren; andererseits kann auch die absolute Dauer des Zurückliegens des Fehlers berücksichtigt werden. Je länger der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, umso größer müssen die steuerlichen Auswirkungen sein, um im Rahmen der Ermessensübung einen Zu- oder Abschlag festzusetzen. Auch auf das Ausmaß der Sorgfaltsverletzung, die dem Fehler zu Grunde liegt, ist Bedacht zu nehmen (VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen im Verhältnis von Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO und ESt/KSt-Veranlagungsverfahren des Beteiligten allein auf Ebene des Besteuerungsverfahrens des Beteiligten zu berücksichtigen.Die Höhe der im Feststellungsbescheid ausgewiesenen Einkünfte ist gemäß § 192 BAO für das Einkommensteuerverfahren verbindlich. Zu- und Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sind jedoch - davon abweichend - im Einkommensteuerbescheid zu berücksichtigen, sofern in Bezug auf das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften ein Verfahrenstitel vorliegt, der eine Bescheidänderung ermöglicht (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 knüpft in seinem Tatbestand an die Verjährung an, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sich allein aus den Verhältnissen des Beteiligten ergibt. Die Bestimmung steht außerhalb der regulären Gewinnermittlung, weil der Zu/Abschlag seinem Wesen nach eine die Gewinnermittlung nicht tangierende Korrekturmaßnahme darstellt. Für den Gegenstand des Feststellungsverfahrens, nämlich die Ermittlung des Gewinnes/Überschusses ist die Verjährung irrelevant, dementsprechend hat dort auch im Rahmen der Gewinnermittlung eine "Wurzelkorrektur" zu erfolgen. Die Verjährungsprüfung ist allein Gegenstand des abgeleiteten Besteuerungsverfahrens.
Bei einer Wurzelkorrektur im Feststellungsverfahren hat die Dienststelle, die die Feststellung vorgenommen hat, im Rahmen einer Kontrollmitteilung die Dienststellen, die die Veranlagung vornehmen, darüber zu informieren, dass ein Fehler berichtigt wurde, der in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 hinsichtlich der Korrektur von Fehlern aus verjährten Zeiträumen fallen könnte. Die Dienststellen, die die Veranlagung vornehmen, müssen bis zum ersten nicht verjährten Jahr die davon erfassten Beträge aufsummieren und in weiterer Folge in diesem Jahr einen entsprechenden Zu- oder Abschlag ansetzen.