15.1.6.1 Allgemeines
Werden im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebes neben selbst erzeugten Produkten auch zugekaufte Erzeugnisse (Urprodukte oder be- und/oder verarbeitete Produkte) vermarktet, dann gelten für die Abgrenzung zum Gewerbebetrieb die Bestimmungen in § 30 Abs. 9 bis 11 BewG 1955 (§ 21 Abs. 1 Z 1 letzter Satz EStG 1988).Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist auf Grund der Bestimmung des § 30 Abs. 9 erster Satz BewG 1955 noch anzunehmen, wenn der Einkaufswert zugekaufter Erzeugnisse nachhaltig nicht mehr als 25% des Umsatzes (jeweils netto ohne Umsatzsteuer) dieses Betriebes beträgt. Abweichend davon ist für den Weinbau eine Sonderregelung in § 30 Abs. 9 zweiter Satz BewG 1955 vorgesehen (siehe Rz 5052). Zu unentgeltlich erworbenen Zugängen vgl. Rz 4212 und 4233Nicht als zugekaufte Erzeugnisse zählen Produktionsmittel für die eigene Erzeugung wie zB Saatgut, Jungpflanzen, Düngemittel, Treibstoff, Heizöl, Verpackungsmaterial, Blumentöpfe für die eigene Produktion bzw. als handelsübliche Beigabe, weiters zB Besatzfische, Zukauf von Kälbern, Ferkeln usw. Werden Produktionsmittel unmittelbar weiterveräußert (zB Verkauf von Blumenerde), sind sie in die Zukaufsgrenzen einzurechnen. Wird die 25%-Grenze nachhaltig überschritten, liegt ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor.Für die Beurteilung einer nachhaltigen Überschreitung der Grenzen ist auch das laufende Jahr miteinzubeziehen und eine Vorschau zu machen. Ein einmaliges Überschreiten bewirkt daher noch keine Einkunftsartänderung; erst wenn in den zwei folgenden Jahren neuerlich die Zukaufsgrenze überschritten wird, ist ab dem dritten Jahr von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen, es sei denn, die Überschreitung der Zukaufsgrenze wurde durch nicht einkalkulierbare Ernteausfälle (Frostschäden, Hagel usw.) veranlasst oder es wird glaubhaft gemacht, die Überschreitungen waren nur vorübergehend (vgl. § 125 Abs. 4 BAO).Die tatsächliche Höhe des Rohaufschlages beim Verkauf zugekaufter Handelsware ist bei der Ermittlung der 25%-Grenze unmaßgeblich. Eine Überschreitung der Zukaufsgrenze auf Grund von nicht einkalkulierbaren Ernteausfällen (Frostschäden, Hagel usw.) ist nicht schädlich. Die 25%-Grenze ist auch für land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe anzuwenden.Beispiel:
Der Gesamtumsatz eines Gärtnereibetriebes (netto ohne Umsatzsteuer) aus selbst erzeugten und zugekauften Produkten beträgt 1.600.000. Der Einkaufswert von zugekauften Waren für den Verkauf beträgt 350.000, der Einkaufswert von Produktionsmittel (Samen, Dünger usw.) beträgt 250.000. Es liegt ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vor. Übersteigt der Einkaufswert der Zukäufe für Handelswaren den Betrag von 400.000 (25% des Gesamtumsatzes) liegt ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor.
Beispiel:
Ein Landwirt führt einen landwirtschaftlichen Betrieb und einen Weinbaubetrieb. Der Zukauf im Weinbaubetrieb übersteigt die im § 30 Abs. 9 BewG angeführte Grenze. Der Weinbaubetrieb wird zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb, während der landwirtschaftliche Teilbetrieb weiterhin zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führt.
15.1.6.2 Zukauf beim Weinbau
Für die Zukäufe an Wein, Most und Trauben sind bei Weinbaubetrieben ausschließlich die im § 30 Abs. 9 BewG 1955 genannten Mengen (2.000 kg frische Weintrauben oder insgesamt 1.500 Liter Wein aus frischen Weintrauben oder Traubenmost pro ha weinbaulich genutzter Fläche) maßgeblich und nicht der Wert des Zukaufes. Die in § 2 Abs. 3 GewO 1994 genannten Mengen sind für § 30 Abs. 9 BewG 1955 nicht relevant. Als weinbaulich genutzte Fläche gilt jene, die als Weinbauvermögen iSd § 29 Z 3 BewG 1955 bewertet ist. Eine Überschreitung der Zukaufsgrenze auf Grund von nicht einkalkulierbaren Ernteausfällen (Frostschäden, Hagel usw.) ist nicht schädlich. Bei einer nachhaltigen Überschreitung liegen hinsichtlich des Weinbaus Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.Werden sowohl Trauben als auch Wein oder Most zugekauft, so sind die zugekauften Mengen in Relation zur bewirtschafteten (Weinbau-)Fläche zu setzen. Die Summe der zugekauften Trauben in Kilogramm dividiert durch 2000 und der zugekauften Menge an Wein und Most in Liter dividiert durch 1.500 darf nicht größer als die Hektarzahl der weinbaumäßig genutzten Fläche sein.Beispiel 1:
Ein Landwirt bewirtschaftet insgesamt 30 ha, davon 5 ha Weingarten. Er kauft 4.300 kg Trauben sowie 2.500 l Most und 1.600 l Wein zu.
Traubenzukauf = 4.300 kg
Wein- und Mostzukauf = 1.600 l + 2.500 l = 4.100 l
weinbaumäßig bewirtschaftete Fläche = 5 ha
4.300 | + | 4.100 | = | 12.900 | + | 16.400 | = | 29.300 | = | 4,9 |
2.000 | 1.500 | 6.000 | 6.000 | 6.000 |
Da 4,9 kleiner als 5 ist, liegt der Zukauf innerhalb der erlaubten Menge.
Beispiel 2:
Angaben wie im Beispiel 1
Der Einkaufswert der zugekauften Mengen an Trauben, Most und Wein beträgt insgesamt 50.000
Der Gesamtumsatz beträgt 320.000
Durch den angeführten Zukauf an Trauben, Most und Wein ist die zulässige Grenze von 25% des Gesamtumsatzes (80.000) nicht erreicht, sodass in diesem Fall noch Speisen um 30.000 eingekauft werden könnten.
Ansonsten ist für die Beurteilung einer nachhaltigen Überschreitung der Grenzen auch das laufende Jahr miteinzubeziehen und eine Vorschau zu machen; siehe Rz 5045 ff.