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4.2 Anlage- und Umlaufvermögen

BMF2023-0.039.37631.3.2023

4.2.1 Abgrenzung

4.2.1.1 Allgemeines

Rz 604
Das UGB unterscheidet zwischen Anlagevermögen und Umlaufvermögen. Da die einzelnen Vermögenskategorien unterschiedlichen Bewertungsvorschriften unterliegen, ist die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu diesen Kategorien für deren konkrete Bewertung bedeutsam.

Rz 605
Entscheidend ist die Zuordnung aber auch für:

  • die Inanspruchnahme steuerlicher Begünstigungen wie Übertragung stiller Reserven (nur bei - abnutzbarem und nichtabnutzbarem - Anlagevermögen),
  • die Zulässigkeit einer AfA und einer Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter (nur bei abnutzbarem Anlagevermögen),
  • das Aktivierungsverbot unkörperlicher nicht entgeltlich erworbener Wirtschaftsgüter (nur bei Anlagevermögen),
  • die Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes gemäß § 30a EStG 1988 für Grundstücksveräußerungen (nur bei Anlagevermögen; § 30a Abs. 3 Z 1 EStG 1988).

Rz 606
Für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen bzw. zum Umlaufvermögen ist deren wirtschaftliche Zweckbestimmung in Verbindung mit der Zeitkomponente entscheidend. Alleine aus der Eigenschaft eines Wirtschaftsgutes lässt sich die Zuordnung nicht ableiten. Je nach der betrieblichen Funktion gehört das gleiche Wirtschaftsgut in einem Betrieb zum Umlaufvermögen, in einem anderen Betrieb zum Anlagevermögen. Maßgeblich sind nicht die Verhältnisse am Bilanzstichtag, sondern die grundsätzliche Widmung. Die Zuordnung in der UGB-Bilanz gilt mangels eigener steuerrechtlicher Vorschriften auch für die Steuerbilanz (VwGH 17.12.1993, 93/15/0094).

Die für die Zuordnung maßgebende Zweckbestimmung wird häufig bereits aus der objektiven Eigenschaft des Vermögensgegenstandes, aus der Natur des Gegenstandes, aus der tatsächlichen Nutzung und aus dem Geschäftszweig des Unternehmens abzuleiten sein. Wenn aber eine solche objektive Funktionsbestimmung nicht mit Sicherheit möglich ist, ist die subjektive Widmung als letztlich entscheidendes Abgrenzungskriterium heranzuziehen (VwGH 13.4.2005, 2001/13/0028; VwGH 22.12.2004, 2001/15/0095; VwGH 22.9.2000, 96/15/0207, 0208).

4.2.1.2 Anlagevermögen

4.2.1.2.1 Definition Anlagevermögen, Allgemeines

Rz 607
Das UGB definiert als Anlagevermögen Gegenstände, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 198 Abs. 2 UGB). Dauernd heißt, dass ein Wirtschaftsgut während seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer oder zumindest eines größeren Zeitraumes davon dem Geschäftsbetrieb dient. Gegenstände des Anlagevermögens sind zum Gebrauch bestimmt. Im Zweifelsfall kann eine tatsächlich längere Verweildauer im Betrieb ein Indiz für Anlagevermögen sein. Wirtschaftsgüter, deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erfahrungsgemäß nicht länger als ein Jahr ist, können nicht zum Anlagevermögen gerechnet werden. (VwGH 25.6.1998, 96/15/0251). Bei Beteiligungen ist die Zweckwidmung im Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung maßgebend (VwGH 22.9.2000, 96/15/0207).

4.2.1.2.2 Einteilung des Anlagevermögens

Rz 608
Gemäß § 224 Abs. 2 UGB wird das Anlagevermögen in folgende Vermögensgegenstände unterteilt:

  • Immaterielle Vermögensgegenstände
  • Sachanlagen
  • Finanzanlagen

Rz 609
Sowohl immaterielle Vermögensgegenstände als auch Finanzanlagen fallen unter den steuerlichen Begriff der unkörperlichen Wirtschaftsgüter (siehe Rz 623 ff).

Rz 610
Zu den Sachanlagen zählen Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremdem Grund, technische Anlagen und Maschinen, andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung und Anlagen in Bau.

Rz 611
Das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen abnutzbaren und nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.

4.2.1.2.3 Nichtabnutzbares Anlagevermögen

Rz 612
Nichtabnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind solche, die keinem Wertverzehr unterliegen. Zum nichtabnutzbaren Anlagevermögen zählen zB der dauernd genutzte Grund und Boden, stehendes Holz (VwGH 21.10.1986, 86/14/0021), Antiquitäten (VwGH 24.9.1996, 94/13/0240), Kunstwerke und Werke der Gebrauchskunst (VwGH 5.7.1994, 91/14/0110), Gemälde, Skulpturen, wertvolle Gefäße uÄ, Wandteppiche und Tapisserien, im Regelfall Beteiligungen als echter stiller Gesellschafter, weiters entgeltlich erworbene unbefristete Rechte und Konzessionen, zeitlich unbegrenzte Namensrechte oder Markenrechte, soweit sie nicht Bestandteile des Firmenwertes sind (zum Markenrecht siehe Rz 3195, zur Domain-Adresse siehe Rz 500a).

Rz 612a
Erwirbt eine Kapitalgesellschaft von "ihrem" Anteilsinhaber ein Fruchtgenussrecht an den eigenen Anteilen, ist eine steuerwirksame Abschreibung dieses Fruchtgenussrechtes unzulässig (VwGH 25.1.2000, 2000/15/0172).

Rz 612b
Unbefristet eingeräumte Leitungsrechte stellen nicht abnutzbares Anlagevermögen dar (zB für Stromleitung), es sei denn, die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leitungsrechtes ist durch die beschränkte Menge des zu transportierenden Wirtschaftsgutes von vornherein zeitlich begrenzt (zB Erdölpipeline bei begrenztem Erdölvorkommen). Zu den Anschaffungskosten eines solchen Leitungsrechtes zählen alle zur Erlangung erforderlichen Aufwendungen. Dabei ist es unerheblich, ob diese beim Empfänger als Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechtes oder als Entschädigung für Bodenwertminderung, Wirtschaftserschwernisse usw. zu behandeln sind.

4.2.1.2.4 Abnutzbares Anlagevermögen

Rz 613
Abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind solche, die einem regelmäßigen Wertverzehr unterliegen. Der Wertverzehr kann technisch, wirtschaftlich oder zeitlich bedingt sein. Abnutzbar sind Wirtschaftsgüter dann, wenn sie wegen technischen Verschleißes, wegen einer Minderung der Gebrauchsfähigkeit oder wegen Zeitablaufs (insbesondere bei Rechten) nur eine beschränkte Zeit genutzt werden können (VwGH 27.11.1963, 0790/73). Der Umstand, dass bei Wirtschaftsgütern Erhaltungsaufwand anfällt, macht sie für sich allein noch nicht abnutzbar (VwGH 20.12.1963, 2125/62).

Zum abnutzbaren Anlagevermögen gehören vor allem Sachgüter wie Gebäude, Einrichtungsgegenstände, Maschinen, Werkzeuge, Filme (bei Filmproduktions- oder Filmverleihunternehmen), aber auch Rechte und andere immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente, Wettbewerbsverbote, Belieferungsrechte, betriebliche Erfahrungen, Mietrechte an Geschäftsräumen, die durch ihre zeitliche Begrenzung auch einem Wertverzehr unterliegen. Eine Musterküche gehört zum abnutzbaren Anlagevermögen, wenn sie dazu bestimmt ist, nicht wie eine Ware veräußert zu werden, sondern längerfristig dem Betrieb zu dienen. Das Baurecht ist zwar unbeweglich, aber abnutzbar.

Spezialersatzteile, die nur bei bestimmten Anlagen verwendet werden können, sind mit der Anlage gemeinsam zu aktivieren und gehören daher zum abnutzbaren Anlagevermögen (VwGH 26.4.1977, 0671/75).

Normale Ersatz- und Reserveteile gehören zum abnutzbaren Anlagevermögen, wenn sie keinem schnellen Verschleiß unterliegen und über einen längeren Zeitraum im Betrieb gebraucht werden (andernfalls gehören sie zum Umlaufvermögen, dazu Rz 2308). Die Zuordnung der Ersatz- und Reserveteile zum abnutzbaren Anlagevermögen erfolgt unabhängig davon, ob sie bereits in die Maschine eingebaut wurden oder ob sie noch "auf Vorrat" liegen. Die Abschreibung der Ersatz- und Reserveteile beginnt jedoch erst mit deren Einbau in die Maschine, sofern es sich nicht um Erhaltungsaufwand handelt.

Rz 614
Zur Frage, ob der Firmenwert abnutzbar oder nichtabnutzbar ist, siehe Rz 2287 ff. Andere immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht als "Firmenwert" anzusehen sind, sind nach den allgemeinen Bewertungsregeln entweder als abnutzbar oder als nicht abnutzbar zu behandeln.

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