15.1.4.1 Rechtsnatur der Agrargemeinschaft
Agrargemeinschaften (Personengemeinschaften in Angelegenheiten der Bodenreform im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG und nach § 6 Abs. 2 Landwirtschaftliches Siedlungs-Grundsatzgesetz anerkannte Siedlungsträger) können nach den jeweiligen Landesgesetzen entweder als Körperschaft öffentlichen Rechts oder als juristische Person privaten Rechts errichtet sein. Ist nach einem Landesrecht keine körperschaftliche Einrichtung vorgesehen, liegt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft stehen Nutzungsrechte zu. Die Mitgliedschaft ist in der Regel mit dem Eigentum an einer so genannten Stammsitzliegenschaft verbunden, die außerhalb der im Eigentum der Agrargemeinschaft stehenden bzw. im Miteigentum der Anteilsinhaber bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts befindlichen Grundstücke liegt.Die an der Agrargemeinschaft Beteiligten sind berechtigt, aus den von der Agrargemeinschaft zu verwaltenden (agrargemeinschaftlichen) Grundstücken in der von der jeweiligen Rechtsgrundlage der Agrargemeinschaft vorgesehenen Form Nutzen zu ziehen. Dies kann sowohl durch eigene Tätigkeit des einzelnen Beteiligten (zB Holzschlägerungsrecht, Recht auf Almauftrieb usw.) als auch durch gemeinschaftliche Bewirtschaftung mit Ausschüttung der Erträge an die Beteiligten erfolgen.Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften, die einen Betrag in Höhe von 4.000 Euro im Kalenderjahr übersteigen, unterliegen gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. d iVm § 27a Abs. 1 EStG 1988 dem besonderen Steuersatz und somit gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 dem Kapitalertragsteuerabzug.
Zum Kapitalertragsteuerabzug bei Ausschüttungen von Agrargemeinschaften siehe Rz 6218 ff.Die Agrargemeinschaften selbst sind, wenn sie körperschaftlich organisiert sind, nach Maßgabe des § 5 Z 5 KStG 1988 von der unbeschränkten Steuerpflicht befreit. Eine Teilsteuerpflicht besteht hinsichtlich der Einkünfte aus einem selbst unterhaltenen oder verpachteten Gewerbebetrieb, weiters für Einkünfte aus der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken (zB Schiabfahrt, Schotterabbau, Golfplatz, Hochspannungsleitung, Baulichkeiten der Gastronomie). Bei einer öffentlich-rechtlich organisierten Agrargemeinschaft liegt hinsichtlich der Nutzungsüberlassung ein Betrieb gewerblicher Art vor (Einkünfte aus Gewerbebetrieb).Da Einrichtungen, die der Land- und Forstwirtschaft dienen, keinen Betrieb gewerblicher Art gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 darstellen, unterliegen sie nicht der Körperschaftsteuer.Unabhängig davon unterliegt die Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 der beschränkten KSt-Pflicht der 2. Art (§ 21 Abs. 3 Z 4 KStG 1988); dies gilt auch für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen.
15.1.4.2 Ausschüttungen
Ausschüttungen von körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 EStG 1988 mit dem besonderen Steuersatz zu veranlagen (zB zum Zwecke der Verrechnung mit anderen positiven Einkünften im Sinne des § 27 EStG 1988), oder sie sind bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption gemäß § 27a Abs. 5 EStG 1988 zum Normaltarif zu veranlagen. In beiden Fällen stellen sie als Ausfluss des Anteilsrechtes an einer Körperschaft beim Beteiligten Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (siehe auch Rz 6218 ff).Dies gilt auch für besondere Entgelte oder Vorteile zufolge dieser Beteiligung (zB Sachleistungen auf Grund eines Holzbezugsrechtes und dgl.). Ist jedoch die Beteiligung dem Betriebsvermögen eines Land- und Forstwirtes zuzurechnen, liegen auf Grund der Subsidiarität Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor (VwGH 24.11.1987, 87/14/0005; VwGH 15.12.1987, 86/14/0171). Diese Einkünfte sind im Falle der Veranlagungsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 bzw. im Falle der Regelbesteuerungsoption gemäß § 27a Abs. 5 EStG 1988 bei pauschalierten Betrieben gesondert anzusetzen. Auf welche Geschäfte diese Ausschüttungen zurückzuführen sind (Veräußerung von Grund und Boden im nicht befreiten Bereich, Verkauf des stehenden Holzes im befreiten Bereich, Kalamitätsnutzungen) spielt für die Steuerpflicht der Ausschüttungen keine Rolle. Zum Kapitalertragsteuer-Abzug siehe Rz 6218 ff.
Bei einer personengesellschaftlich organisierten Agrargemeinschaft werden die anteiligen Einkünfte im Rahmen der Feststellung den einzelnen Mitgliedern als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung und Verpachtung (aus nicht landwirtschaftlicher Nutzungsüberlassung durch die Agrargemeinschaft) zugewiesen. Für besondere Waldnutzungen kann das Mitglied den ermäßigten Steuersatz gemäß § 37 Abs. 6 EStG 1988 beanspruchen. Hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven siehe Rz 3889 f.15.1.4.3 Veräußerung von Anteilen
Der Anteil an einer Agrargemeinschaft gehört ertragsteuerlich bei einem Land- und Forstwirt schon allein wegen des inneren Zusammenhanges (Gebundenheit) der Beteiligung mit der Stammsitzliegenschaft zu dessen land- und forstwirtschaftlichem Betriebsvermögen (wie zB ein Genossenschaftsanteil, ungeachtet der nur für die Ermittlung des Einheitswertes des landwirtschaftlichen Betriebes geltenden Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 6 BewG 1955). Die Veräußerung eines Anteiles an einer Agrargemeinschaft führt daher diesfalls zu Betriebseinnahmen im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft. Der Veräußerungserlös ist bei pauschalierten Betrieben als außerordentlicher Geschäftsvorfall gesondert anzusetzen (siehe auch Rz 4189) und unterliegt dem besonderen Steuersatz (§ 27a Abs. 1 EStG 1988).Wird der Anteil an einer Agrargemeinschaft im Privatvermögen gehalten, unterliegt die Veräußerung des Anteiles dem besonderen Steuersatz gemäß § 27 Abs. 3 iVm § 27a Abs. 1 EStG 1988.