9.5.2.1 Voraussetzungen zur Bildung der COVID-19-Rücklage
Die COVID-19-Rücklage kann unabhängig von der Art der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 EStG 1988) geltend gemacht werden.Der Abzug der COVID-19-Rücklage erfolgt auf Grundlage eines gesonderten Antrages, der unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars (CoV-19-RL-(ZE)-PDF-2019) bzw. über FinanzOnline gestellt werden kann.
Erhöht sich nach erstmaliger Berücksichtigung der COVID-19-Rücklage nachträglich der Gesamtbetrag der Einkünfte (zB auf Grund einer Tangente gemäß § 295 BAO oder einer Wiederaufnahme des Verfahrens), kann vor der Veranlagung 2020 ein Antrag auf (zusätzliche) Berücksichtigung der COVID-19-Rücklage insoweit gestellt werden, als durch die nachträgliche Erhöhung die Berücksichtigung der Rücklage in höherem Ausmaß möglich wird.
Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt einen positiven Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 und einen voraussichtlich negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2020 voraus.Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden (§ 1 Abs. 1 Z 1 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung). Betriebliche Einkünfte, die einem besonderen Steuersatz unterliegen (zB §§ 27a Abs. 1 oder 30a Abs. 1 EStG 1988) oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens befreit sind, sind für Zwecke der Ermittlung der COVID-19-Rücklage folglich nicht zu berücksichtigen.Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 (Abzugsposten). Die Höhe der einzelnen betrieblichen Einkünfte bleibt somit unberührt (§ 1 Abs. 1 Z 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung), weshalb sich durch den Abzug der COVID-19-Rücklage auch keine Auswirkungen auf die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge und das Feststellungsverfahren nach § 188 BAO ergeben (siehe dazu näher Rz 3917). Dies gilt auch für die Erhöhung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch die COVID-19-Rücklage im Rahmen der Veranlagung 2020 (Hinzurechnungsposten); siehe dazu Rz 3920.Durch die Bildung der COVID-19-Rücklage wird der positive Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 2019 vermindert. Die COVID-19-Rücklage kürzt die Basis (Gesamtbetrag der Einkünfte) für den Verlustabzug und geht damit auch der Berücksichtigung von Verlustvorträgen nach Maßgabe von § 18 Abs. 6 EStG 1988 aus Vorjahren vor.Für Körperschaften verändert sich durch den Abzug der COVID-19-Rücklage somit auch die Basis (= Gesamtbetrag der Einkünfte) für die von Körperschaften zu berücksichtigende 75%-Verlustvortragsgrenze gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 lit. a KStG 1988.
9.5.2.2 Höhe der COVID-19-Rücklage
Für die Ermittlung der COVID-19-Rücklage ist der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2019 maßgeblich. Darin sind - wie beim Verlustrücktrag - auch Einkünfte zu berücksichtigen, die durch Vollpauschalierung ermittelt werden. Auch Veräußerungsgewinne gemäß § 24 EStG 1988 sind in der für die Höhe der COVID-19-Rücklage maßgeblichen Größe des positiven Gesamtbetrages der Einkünfte 2019 zu berücksichtigen (dazu auch Rz 3914). Dies gilt auch, wenn eine Progressionsermäßigung (§ 37 EStG 1988) in Anspruch genommen wird.Bei der Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage ist Folgendes zu beachten (§ 1 Abs. 1 Z 3 lit. a bis c COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung):- Betragen die Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuervorauszahlungen 2020 Null oder wurde die Höhe der Körperschaftsteuervorauszahlung 2020 nur in Höhe der Mindeststeuer (§ 24 Abs. 4 KStG 1988) festgesetzt, beträgt die COVID-19-Rücklage - ohne weiteren Nachweis des Steuerpflichtigen - bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019. Voraussetzung dafür ist, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 voraussichtlich negativ sein wird.
- Wird die Höhe der voraussichtlichen betrieblichen Verluste 2020 gegenüber der Abgabenbehörde glaubhaft gemacht, kann die COVID-19-Rücklage insoweit in höherem Ausmaß gebildet werden, höchstens jedoch bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019.
- Für Zwecke der Glaubhaftmachung ist eine sorgfältige Schätzung vorzunehmen, die der Abgabenbehörde auf Verlangen vorzulegen ist. Verluste können durch Glaubhaftmachung folglich auch dann berücksichtigt werden, wenn die Vorauszahlungen 2020 - trotz voraussichtlichen Verlusts im Jahr 2020 - nicht Null betragen oder der erwartete voraussichtliche Verlust 2020 höher ist als 30% des positiven Gesamtbetrages der Einkünfte 2019. Dabei ist zu beachten, dass eine sorgfaltswidrig durchgeführte grob falsche Schätzung zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. a BAO und dementsprechend zu einer Nachforderung führen kann. Die Höhe der COVID-19-Rücklage kann die Höhe des glaubhaft gemachten voraussichtlichen Verlustes 2020 nicht überschreiten.
- Die COVID-19-Rücklage darf einen Betrag von fünf Millionen Euro nicht übersteigen.
- Die COVID-19-Rücklage kann den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 maximal bis zu einem Betrag von Null kürzen.
Die COVID-19-Rücklage kann ausschließlich in jener Höhe berücksichtigt werden, in der sie vom Steuerpflichtigen - innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen - ermittelt und beantragt worden ist. Insoweit steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, ob die vorgezogene Verlustberücksichtigung im Wege der COVID-19-Rücklage im rechtlich maximal zulässigen Ausmaß oder nur anteilig gebildet wird.
Beispiel 1:
Im Jahr 2019 erzielt A Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 385.000 Euro, einen Verlust aus selbständiger Arbeit von 7.200 Euro und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 6.500 Euro.
a) Für 2020 erwartet A insgesamt einen Verlust aus seiner betrieblichen Tätigkeit. Er kann jedoch die Höhe des voraussichtlichen Verlusts 2020 noch nicht abschätzen. A hat seine Vorauszahlungen im Jahr 2020 auf Null herabsetzen lassen.
Die COVID-19-Rücklage beträgt:
Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2019 | 377.800 |
Davon 30% | 113.340 |
Höchstausmaß der COVID-19-Rücklage | 113.340 |
Der Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 beträgt somit:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -7.200 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | 385.000 |
COVID-19-Rücklage | -113.340 |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 6.500 |
Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 | 270.960 |
b) Für 2020 erwartet A einen Verlust aus seiner betrieblichen Tätigkeit, der auf Grundlage einer sorgfältigen Schätzung mit 300.000 Euro angenommen wird. Die Vorauszahlungen 2020 wurden von A trotz des erwarteten Verlustes 2020 nicht auf null herabgesetzt.
Die COVID-19-Rücklage beträgt:
Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2019 | 377.800 |
Davon 60% | 226.680 |
Höchstausmaß der COVID-19-Rücklage | 226.680 |
Der Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 beträgt somit:
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | -7.200 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | 385.000 |
COVID-19-Rücklage | -226.680 |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 6.500 |
Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 | 157.620 |
Ein allenfalls noch verbleibender, nicht bereits über die COVID-19-Rücklage berücksichtigter Verlust 2020 (dh. die COVID-19-Rücklage beträgt weniger als der sich bei der Veranlagung 2020 ergebende tatsächliche Verlust) kann im Wege des Verlustrücktrages bei der Veranlagung 2019 berücksichtigt werden. Dadurch ergeben sich keine rückwirkenden Auswirkungen auf die COVID-19-Rücklage (siehe Rz 3930 f).