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1.3.4.4. Hard-to-value intangibles

BMF2021-0.586.6167.10.2021

Rz 154
Die OECD stellt es den Staaten frei, die Regelungen für schwer zu bewertende immaterielle Werte ("hard-to-value intangibles", im Folgenden: HTVI) einzuführen (Z 6.188 OECD-VPL). Österreich folgt der Empfehlung der OECD und wendet den HTVI-Ansatz nach Maßgabe der Rz 19 an. Ein Überblick über die Staatenpraxis bei der Umsetzung und Anwendung des HTVI-Ansatzes findet sich auf der Internetseite der OECD (https://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/transfer-pricing-country-profiles.htm#htvi-approach).

HTVI sind immaterielle Werte, für die keine verlässlichen Vergleichsdaten existieren und für die im Zeitpunkt der Transaktion (ex ante) die Prognosen zukünftiger Cashflows oder Einnahmen aus dem immateriellen Wert oder die Bewertungsannahmen höchst unsicher sind (Z 6.189 OECD-VPL). Dadurch kann der Erfolg des immateriellen Werts schwer vorausgesagt werden; der ex-post-Wert weicht häufig vom ex-ante-Wert ab. Transaktionen im Zusammenhang mit HTVI können eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweisen (Z 6.190 OECD-VPL):

Rz 155
Bei Transaktionen mit HTVI besteht in besonderem Ausmaß eine Informationsasymmetrie zwischen Abgabepflichtigen und Finanzverwaltung im Hinblick auf die Geschäftsinformationen, welche notwendig wären, um die Fremdüblichkeit der Preisfindung zu beurteilen. In diesen Fällen kann daher von der Finanzverwaltung der ex-post-Wert als Indizienbeweis ("presumptive evidence") für die Beurteilung darüber herangezogen werden, ob die Preisgestaltung ex ante auf angemessene Abwägungen der für die Bewertung bedeutsamen zukünftigen Entwicklungen oder Ereignisse gestützt wurde und somit fremdüblich ist (Z 6.192 OECD-VPL). Ex-post-Ergebnisse dürfen jedoch dann nicht rückblickend herangezogen werden, wenn der Steuerpflichtige die Informationen, auf denen die ex-post-Ergebnisse beruhen, im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses vernünftigerweise nicht kennen und prüfen hätte können (Verbot des "use of hindsight"; Z 6.188 OECD-VPL).

Rz 156
Wenn die Finanzverwaltung in der Lage ist, die Zuverlässigkeit der Informationen, auf denen die ex ante getroffene Preisvereinbarung basiert, zu bestätigen, dann sollten keine Korrekturen auf Basis der Ex-post-Ergebnisse vorgenommen werden (Z 6.192 OECD-VPL). Der HTVI-Ansatz kommt außerdem nicht zur Anwendung, wenn zumindest eine der folgenden Befreiungen greift (Z 6.193 OECD-VPL):

Rz 157
Von der Finanzverwaltung ist so früh wie möglich festzustellen, ob ein HTVI vorliegt (zB im Rahmen der Außenprüfung des Jahres, in dem die Übertragung stattfindet). Dabei kann beispielsweise auf das Master File und das Local File zurückgegriffen werden, worin wesentliche Übertragungen immaterieller Werte dargestellt werden müssen (§ 4 Z 5 und § 9 Z 1 VPDG-DV); die Übertragung eines HTVI ist jedenfalls als wesentlich anzusehen. Ist die Anwendung des HTVI-Ansatzes zulässig und werden ex-post-Werte für die Beurteilung der Fremdüblichkeit des Geschäftsvorfalls herangezogen (Rz 154 ff), so kann sich die Notwendigkeit einer Verrechnungspreiskorrektur ergeben. Vor dem Hintergrund der mit immateriellen Werten einhergehenden hohen Unsicherheit wird in der Regel keine Korrektur einer Einmalzahlung mit Wirkung für den Zeitpunkt der Übertragung möglich sein, sondern alternative Preisvereinbarungen als fremdüblich angesehen werden. So kann die Finanzverwaltung bedingte Preisvereinbarungen (zB Preisanpassungsklauseln) (dazu Z 6.185 OECD-VPL) zugrunde legen, wenn diese im Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls zwischen unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Umständen getroffen worden wären (Z 6.192 OECD-VPL). In diesem Fall könnte angenommen werden, dass die Zahlung im Zeitpunkt der Übertragung lediglich der fixe Kaufpreisbestandteil war und zu einem späteren Zeitpunkt variable zusätzliche Zahlungen fällig werden.

Beispiel:

Die Konzerngesellschaft A hat einen pharmazeutischen Wirkstoff entwickelt und bereits die vorklinischen Tests sowie die klinischen Phasen I und II erfolgreich absolviert. Im Jahr X0 überträgt sie die Patentrechte an ein verbundenes Unternehmen (Gesellschaft S), welches für die Phase III der klinischen Studien verantwortlich ist. Auf Basis einer Schätzung der Cashflows (1.000 pro Jahr ab X6) aus der Verwertung des fertigen Arzneimittels wird ein Veräußerungspreis iHv 700 angesetzt, der in X0 geleistet wird. In X7 findet eine Betriebsprüfung für die Jahre X3-X5 statt, bei der die Finanzverwaltung Informationen erhält, wonach die Vermarktung des Arzneimittels bereits in X3 (anstelle X6) begonnen hat und in X5 und X6 jeweils Umsätze iHv 1.500 erzielt wurden. A kann nicht nachweisen, dass sie die frühere Vermarktung sowie die Möglichkeit höherer Umsätze in ihrer Kalkulation des Veräußerungspreises berücksichtigt hat. Unter Berücksichtigung der Ex-post-Ergebnisse beträgt der Veräußerungspreis 1.300. Aufgrund der Anwendbarkeit des HTVI-Ansatzes ist die Finanzverwaltung berechtigt, eine Verrechnungspreiskorrektur iHv 600 vorzunehmen. Nun ist auch noch zu beurteilen, welche Preisvereinbarung fremde Dritte untereinander abgeschlossen hätten. Aufgrund der hohen Unsicherheit bei der Bewertung von HTVI wäre es regelmäßig fremdüblich, variable Zahlungen zu vereinbaren, wodurch im Preis zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden können. Es spricht daher nichts dagegen, wenn die Finanzverwaltung die Verrechnungspreiskorrektur zB im Jahr X5 vornimmt - und zwar unter Zugrundelegung einer bedingten Preisvereinbarung, wie etwa einer Kombination aus fixer Anzahlung und zusätzlicher (von gewissen Ergebnissen oder Milestones) abhängiger Zahlungen.

Rz 158
Eine Verrechnungspreiskorrektur (Primärberichtigung) für eine HTVI-Transaktion ist in Österreich nur nach Maßgabe der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften möglich, insbesondere unter Beachtung der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der Rechtskraft sowie der allgemeinen in der BAO enthaltenen Verjährungsbestimmungen (Rz 499 ff). Eine aufgrund einer Korrektur eines anderen Staats notwendige Gegenberichtigung ist nicht auf kurzem Wege durch das zuständige Finanzamt möglich, sondern die dadurch entstehende Doppelbesteuerung muss im Wege eines Verständigungsverfahrens beseitigt werden.

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