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22.4.4.6 Pauschale Einkünfteermittlung (§ 30 Abs. 4 EStG 1988)

BMFBMF-010200/0024-IV/6/20197.5.2018

22.4.4.6.1 Allgemeines, Höhe der Einkünfte

Rz 6668
Die pauschale Einkünfteermittlung ist die grundsätzliche Einkünfteermittlung für Altgrundstücke (siehe Rz 6654). Sie ist für Neugrundstücke nicht zulässig. Der Veräußerungserlös ist dabei wie bei Regeleinkünfteermittlung in tatsächlicher Höhe anzusetzen; eine allfällig vereinnahmte und abzuführende USt ist nicht Teil des Veräußerungserlöses. Vom Veräußerungserlös sind nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 pauschale Anschaffungskosten abzuleiten. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen im Zuge einer Entnahme oder Betriebsaufgabe vor dem 1.4.2012 stille Reserven steuerlich erfasst oder steuerfrei gestellt wurden. Der Veräußerungserlös ist um diese stillen Reserven nicht zu kürzen; eine Doppelerfassung von stillen Reserven kann allerdings durch eine Regeleinkünfteermittlung vermieden werden (siehe dazu Rz 709a und Rz 5714b).

Die Einkünfte nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 ermitteln sich danach wie folgt:

 

Veräußerungserlös

-

pauschale Anschaffungskosten

+

Hälfte der Abschreibungen nach § 28 Abs. 3 EStG 1988 in den letzten 15 Jahren vor der Veräußerung

=

Einkünfte nach § 30 Abs. 4 EStG 1988

Weitere Abzugsbeträge (Herstellungs- oder Instandsetzungskosten, Kosten der Mitteilung oder Selbstberechnung nach § 30c EStG 1988

Die pauschalen Anschaffungskosten betragen

Die pauschale Einkünfteermittlung differenziert nicht nach dem Anschaffungszeitpunkt. Von einer Anschaffung ist jedenfalls auch dann auszugehen, wenn der Anschaffungszeitpunkt überhaupt nicht mehr bestimmbar ist.

Der Tatbestand des § 30 EStG 1988 verdrängt auch für Altgrundstücke die bisherige Steuerpflicht nach § 29 Z 1 EStG 1988 (Kaufpreisrente). Auch die Einkünfteberechnung ist damit anders. Bisher war Steuerpflicht nach § 29 Z 1 EStG 1988 gegeben, sobald der nach § 16 Abs. 2 BewG 1955 kapitalisierte Rentenbarwert überschritten ist. § 30 EStG 1988 stellt hingegen auf das Überschreiten der Anschaffungskosten ab. Sofern bei Altgrundstücken nicht die Regeleinkünfteermittlung nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 beantragt wird, muss die Rente auf den Veräußerungszeitpunkt nach § 16 Abs. 2 BewG 1955 kapitalisiert und aus diesem Betrag der Anschaffungswert mit grundsätzlich 86% abgeleitet werden. Steuerpflicht entsteht dann, sobald dieser Wert überschritten ist.

Beispiel:

Ein vor dem 1.4.2002 angeschafftes Grundstück wird am 1.10.2012 gegen eine Jahresrente von 12.000 veräußert. Der kapitalisierte Rentenbarwert beträgt angenommen 150.000. Als pauschale Anschaffungskosten können 86% von 150.000 angesetzt werden, das sind 129.000. Sobald die Rentenzahlungen diesen Betrag überschreiten, tritt Steuerpflicht nach § 30 EStG 1988 ein. Der Sonderausgabenabzug des Erwerbers ist hingegen erst bei Überschreiten des vollen Rentenbarwerts von 150.000 möglich.

22.4.4.6.2 Umwidmungsbegriff

Rz 6669
Als Umwidmung gilt eine Änderung der Widmung, die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht (darunter fallen auch raumordnungsrechtliche Vorgängerbestimmungen); Umwidmungen in eine Verkehrsfläche stellen daher keine Umwidmung iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 dar. Damit sind im Wesentlichen ab 1.1.1988 erfolgte Umwidmungen von Grünland in Bauland von der höheren Pauschalbesteuerung erfasst; dies gilt auch für Umwidmungen in Sonderflächen oder Sondergebiete innerhalb des Baulandes. Allerdings können auch Widmungen, die nicht dem Bauland zuzuordnen sind, aber eine Bebauung nach Art einer Baulandwidmung ermöglichen, unter diesen Tatbestand subsumiert werden (zB Sonderwidmungen für Einkaufszentren). Dies gilt auch für Fälle in denen eine vergleichbare Bebauung nicht auf Grund einer Widmungsänderung nach einem raumordnungsrechtlichen Landesgesetz, sondern auf Grund eines anderen Landes- oder Bundesgesetzes ermöglicht wirdfür Gebäude auf einem Flugplatz). Der Zweck der Bebauung dabei unbeachtlich, sodass eine mit dem Bauland vergleichbare Bebaubarkeit auch dann gegeben sein kann, wenn die Bebauung nicht Wohnzwecken dient. Daher können sondergesetzliche Widmungen als Widmungen angesehen werden, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entsprechen.

Kleingartengrundstücke gelten als Bauland, wenn sie ganzjährig bewohnbar sind. Hingegen sind Widmungsänderungen von Grünland in Bauland keine Umwidmungen im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, wenn eine Bebauung auf Grund raumordnungsrechtlicher Maßnahmen nicht zulässig ist (zB bei Aufschließungsgebieten oder bei Bauerwartungsland, siehe dazu BFG 17.05.2016, RV/1100587/2014, zur Höhe der pauschalen AK für Bauerwartungsland). Eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 ist in diesen Fällen erst dann gegeben, wenn eine spätere Widmungsänderung erstmals tatsächlich eine Bebauung ermöglicht. Eine Umwidmung liegt aber dann vor, wenn eine Bebauung im Einzelfall trotz Vorliegens eines Aufschließungsgebietes oder Bauerwartungsland auf Grund landesgesetzlicher Regelungen zulässig ist. Ist eine raumordnungsrechtliche Baulandwidmung gegeben, sind Bausperren, die eine Bebauung nicht dauerhaft verhindern, nicht zu beachten.

Wird im Zuge einer Umwidmung in Bauland ein Teil eines Grundstücks als Schutz- oder Pufferzone (Frei- und Grünfläche) ausgewiesen, die nicht bebaut werden darf, ist der Veräußerungserlös für das Grundstück trotzdem nicht analog einer teilweisen Umwidmung (siehe dazu Rz 6673) aufzuteilen, wenn ein einheitlicher Kaufpreis bezahlt wurde. Es erfolgt in diesem Fall eine einheitliche Betrachtung des Grundstücks als Bauland, da davon auszugehen ist, dass das Grundstück in dem Wissen erworben wird, dass die Schutz- oder Pufferzone nicht bebaut werden darf.

Eine Aufteilung des Veräußerungserlöses ist allerdings dann geboten, wenn die Schutz- oder Pufferzone ausdrücklich im Flächenwidmungsplan als Grün- oder Freiland gewidmet ist.

Umwidmungen innerhalb einer Widmungskategorie (zB von Mischgebiet auf Wohngebiet im Bauland oder eine bloße Anhebung der Bauklasse) sind durch diese Anknüpfung grundsätzlich nicht erfasst, es sei denn, es tritt durch diese Maßnahme erstmals überhaupt die Möglichkeit der Bebauung ein.

Rz 6669a
War zum Zeitpunkt der Bebauung das Grundstück als Freiland gewidmet und erfolgte eine im Freiland zulässige Bebauung, stellt eine nachfolgende Umwidmung in Bauland eine Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 dar. § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 stellt nicht darauf ab, dass die Widmung grundsätzlich eine Bebauung ermöglicht, sondern dass durch die Widmung erstmals eine Bebauung ermöglicht wird, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche entspricht. Nach den Raumordnungsgesetzen der Länder ist im Freiland oder Grünland idR eine begrenzte Bebauung zulässig. Wird im Freiland eine Bebauung nach diesen Regeln vorgenommen, stellt dies idR noch keine Bebauung dar, wie sie in ihrem Umfang nur eine Baulandwidmung ermöglicht. Kommt es daher zu einer Umwidmung dieser bebauten Grundfläche in Bauland, wird der Umfang der zulässigen Bebauung erstmals wesentlich erhöht, sodass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 erfüllt sind.

War die ursprüngliche Bebauungsmöglichkeit (aufgrund der damaligen Baubewilligung) auf eine Art "Einzelgenehmigung in bestimmtem Umfang" (vgl. zB § 14 Abs. 5 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62/1996 idgF) begründet, dann wird durch eine nachfolgende Umwidmung die Möglichkeit der Bebauung erweitert bzw. kann unter Umständen auf dem Grundstück erst dadurch ein neues Gebäude errichtet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine Bebauung wie auf einem Grundstück, das als Bauland gewidmet ist, nicht möglich sondern wird erst durch die Umwidmung erstmals ermöglicht.

Rz 6669b
Grundsätzlich stellt auch eine erstmalige Baulandwidmung eines Grundstücks auf Grund einer erstmaligen Festlegung eines Flächenwidmungsplanes eine "Umwidmung" im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 dar. Allerdings ist bei bereits vor der erstmaligen Festlegung des Flächenwidmungs- bzw. Raumordnungsplanes - somit vor der erstmaligen Widmung - nicht rechtswidrig bebauten oder bebaubaren Grundstücken diese erstmalige Widmung nicht als Umwidmung iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 anzusehen. Eine Umwidmung ist hier bereits zu jenem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Zulässigkeit der Bebauung - trotz Fehlens entsprechender raumordnungsrechtlicher Widmungen - festgestellt wurde (zB Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft eines entsprechenden Baubescheides).

Rz 6669c
In einer Gesamtschau aller Landesgesetze bezüglich Raum- und Bauordnung ergibt sich, dass Windkraftanlagen, Energieleitungsanlagen und damit in Funktionszusammenhang stehende Gebäude sowie Trafo- und Umspanngebäude in der Regel keiner Umwidmung in Bauland bedürfen. Es handelt sich somit um eine Bebauung, die keiner Baulandwidmung bedarf. Erfolgt daher keine Umwidmung von Grünland in Bauland, sondern lediglich eine Sonderwidmung im Grünland oder als eigene Widmungskategorie, können die fiktiven Anschaffungskosten nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bemessen werden.

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