vorheriges Dokument
nächstes Dokument

4.9. Normalwert als Bemessungsgrundlage ab 1.1.2013

BMFBMF-010219/0221-IV/4/201816.11.2018

Rz 682
Basierend auf Art. 72 iVm Art. 80 der MwSt-RL 2006/112/EG ist der Normalwert als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen anzusetzen, wenn das Entgelt aus außerbetrieblichen Motiven (familiäre oder freundschaftliche Nahebeziehungen, Gesellschafterstellung oder gesellschaftliche Verflechtung, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften, Arbeitgeber-, Arbeitnehmerverhältnis, usw.) vom Normalwert abweicht (hinsichtlich der Abgrenzung der außerbetrieblichen Motive im Arbeitgeber-, Arbeitnehmerverhältnis siehe Rz 66 ff.). Der Normalwert ist allerdings nur anzusetzen, wenn

Beispiel 1:

P verkauft eine Ware um 30.000 Euro (Normalwert 40.000 Euro) an U. Der niedrige Verkaufspreis ist darauf zurückzuführen, dass P Gesellschafter der U ist. Beide Unternehmer sind voll vorsteuerabzugsberechtigt.

Lösung:

Da beide Unternehmer voll vorsteuerabzugsberechtigt sind, kommt der Normalwert nicht zur Anwendung.

Beispiel 2:

Der Fahrradhändler F verkauft seiner Tochter aus privaten Gründen ein Fahrrad um 300 Euro (normaler Verkaufspreis netto 600 Euro).

Lösung:

Da die Tochter als Privatperson nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, bildet der Normalwert (dh. 600 Euro) die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.

Beispiel 3:

Ein Versicherungsvertreter erbringt steuerpflichtige Beratungsleistungen und davon unabhängig unecht steuerbefreite Versicherungsvermittlungsleistungen an ein Unternehmen, an dem er als Gesellschafter beteiligt ist. Das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung beläuft sich auf 100.000 Euro (Normalwert 55.000 Euro). Das Entgelt für die steuerfreie Leistung wird mit 10.000 Euro festgesetzt (Normalwert 55.000 Euro).

Lösung:

Für beide Leistungen ist die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage der Normalwert (jeweils 55.000 Euro). Bei Anwendung des Entgelts als Bemessungsgrundlage könnte es zu nicht gerechtfertigten Verschiebungen hinsichtlich der Aufteilung des Vorsteuerabzuges kommen.

Die Anwendung des Normalwerts setzt ein Entgelt voraus (für die Beurteilung außerhalb des Anwendungsbereiches von § 4 Abs. 9 UStG 1994 vgl. Rz 367). Auf die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes oder die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung durch einen Unternehmer ist dagegen § 3 Abs. 2 bzw. § 3a Abs. 1a UStG 1994 (und nicht der Normalwert) anzuwenden.

Die Lieferung von Grundstücken sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor dem 1.1.2016 fällt nicht unter die Normalwertregelung. Der Normalwert kann als Bemessungsgrundlage nur herangezogen werden, wenn die Lieferung, Vermietung oder Verpachtung eines Grundstückes steuerbar ist. Für die Prüfung, ob ein solcher Umsatz bei Vorliegen eines Naheverhältnisses der involvierten Parteien umsatzsteuerlich anzuerkennen ist, hat der Normalwert keine Bedeutung.

Eine vergleichbare Lieferung oder sonstige Leistung für die Bestimmung des Normalwerts wird regelmäßig nur in den folgenden Fällen ermittelt werden können:

In allen übrigen Fällen wird regelmäßig keine vergleichbare Lieferung oder sonstige Leistung ermittelt werden können, mit der Konsequenz, dass der Normalwert unter sinngemäßer Anwendung von § 4 Abs. 8 lit. a und b UStG 1994 bestimmt werden muss.

Die Normalwertregelung des § 4 Abs. 9 UStG 1994 ist auch auf den innergemeinschaftlichen Erwerb anzuwenden (siehe Rz 3932).

4.10. Bemessungsgrundlage bei Mehrzweckgutscheinen im Zeitpunkt der Einlösung - Rechtslage für ab 1.1.2019 ausgestellte Gutscheine

Rz 683
Bei Mehrzweckgutscheinen, die für Lieferungen oder sonstige Leistungen eingelöst werden, entspricht die Bemessungsgrundlage der für den Gutschein gezahlten Gegenleistung.

Sind keine Informationen über die gezahlte Gegenleistung vorhanden, entspricht die Bemessungsgrundlage dem Wert, der auf dem Gutschein selbst angegeben ist oder sich aus den damit zusammenhängenden Unterlagen ergibt.

Die auf die Lieferungen oder sonstigen Leistungen entfallende Mehrwertsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

Beispiel:

Ein internationales Modeunternehmen (A) verkauft an einen Kunden (K) einen Warengutschein für ein bestimmtes Kleidungsstück um 50 Euro. Dieser kann in Filialen im ganzen EU-Raum oder online eingelöst werden. K schenkt den Gutschein seiner Tochter (T), die diesen in einem österreichischen Geschäft des A einlöst.

Lösung:

Da bei der Ausstellung des Warengutscheins durch A der Leistungsort nicht feststeht, handelt es sich um einen Mehrzweck-Gutschein, der erst mit der Einlösung zu einem steuerbaren Umsatz führt. Die Umsatzsteuer für den Warenverkauf des A an T ist aus dem Bruttobetrag von 50 Euro herauszurechnen (entspricht 8,33 Euro Umsatzsteuer).

Zu Gutscheinen im Sinne des Art. 30a MwSt-RL 2006/112/EG idF RL (EU) 2016/1065 im Allgemeinen siehe Rz 4.

Randzahlen 684 bis 687: derzeit frei.

Stichworte