- der Empfänger nicht oder nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist und das Entgelt unter dem Normalwert liegt,
- der Umsatz unecht befreit ist (ausgenommen die Kleinunternehmerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994) und das Entgelt unter dem Normalwert liegt, oder
- der leistende Unternehmer nicht oder nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist und das Entgelt über dem Normalwert liegt.
Beispiel 1:
P verkauft eine Ware um 30.000 Euro (Normalwert 40.000 Euro) an U. Der niedrige Verkaufspreis ist darauf zurückzuführen, dass P Gesellschafter der U ist. Beide Unternehmer sind voll vorsteuerabzugsberechtigt.
Lösung:
Da beide Unternehmer voll vorsteuerabzugsberechtigt sind, kommt der Normalwert nicht zur Anwendung.
Beispiel 2:
Der Fahrradhändler F verkauft seiner Tochter aus privaten Gründen ein Fahrrad um 300 Euro (normaler Verkaufspreis netto 600 Euro).
Lösung:
Da die Tochter als Privatperson nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, bildet der Normalwert (dh. 600 Euro) die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.
Beispiel 3:
Ein Versicherungsvertreter erbringt steuerpflichtige Beratungsleistungen und davon unabhängig unecht steuerbefreite Versicherungsvermittlungsleistungen an ein Unternehmen, an dem er als Gesellschafter beteiligt ist. Das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung beläuft sich auf 100.000 Euro (Normalwert 55.000 Euro). Das Entgelt für die steuerfreie Leistung wird mit 10.000 Euro festgesetzt (Normalwert 55.000 Euro).
Lösung:
Für beide Leistungen ist die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage der Normalwert (jeweils 55.000 Euro). Bei Anwendung des Entgelts als Bemessungsgrundlage könnte es zu nicht gerechtfertigten Verschiebungen hinsichtlich der Aufteilung des Vorsteuerabzuges kommen.
Die Anwendung des Normalwerts setzt ein Entgelt voraus (für die Beurteilung außerhalb des Anwendungsbereiches von § 4 Abs. 9 UStG 1994 vgl. Rz 367). Auf die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes oder die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung durch einen Unternehmer ist dagegen § 3 Abs. 2 bzw. § 3a Abs. 1a UStG 1994 (und nicht der Normalwert) anzuwenden.
Die Lieferung von Grundstücken sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor dem 1.1.2016 fällt nicht unter die Normalwertregelung. Der Normalwert kann als Bemessungsgrundlage nur herangezogen werden, wenn die Lieferung, Vermietung oder Verpachtung eines Grundstückes steuerbar ist. Für die Prüfung, ob ein solcher Umsatz bei Vorliegen eines Naheverhältnisses der involvierten Parteien umsatzsteuerlich anzuerkennen ist, hat der Normalwert keine Bedeutung.
Eine vergleichbare Lieferung oder sonstige Leistung für die Bestimmung des Normalwerts wird regelmäßig nur in den folgenden Fällen ermittelt werden können:
- Wenn ein direkter Preisvergleich möglich ist; ein direkter Preisvergleich ist grundsätzlich möglich, wenn der leistende Unternehmer vergleichbare Geschäfte auch mit Empfängern tätigt, zu denen er nicht in einem Naheverhältnis steht. Subsidiär können auch Marktpreise, wie man sie zB aus Börsennotierungen oder branchenüblichen Abschlüssen ermittelt oder aus Preisübersichten von Verbänden gewinnt, zum Vergleich herangezogen werden.
- Bei Sachzuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer werden aus Vereinfachungsgründen weiterhin die Werte als Normalwert herangezogen werden können, die den Sachbezügen bei der Lohnsteuer zu Grunde gelegt sind.
- Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann auch ein für Ertragsteuerzwecke identifizierter transaktionsbezogener Fremdvergleichspreis als Normalwert herangezogen werden.
- In den Fällen der Rz 265, 274, 274a und 275 kann aus Vereinfachungsgründen das dort beschriebene Mindestentgelt als Normalwert herangezogen werden.
In allen übrigen Fällen wird regelmäßig keine vergleichbare Lieferung oder sonstige Leistung ermittelt werden können, mit der Konsequenz, dass der Normalwert unter sinngemäßer Anwendung von § 4 Abs. 8 lit. a und b UStG 1994 bestimmt werden muss.
Die Normalwertregelung des § 4 Abs. 9 UStG 1994 ist auch auf den innergemeinschaftlichen Erwerb anzuwenden (siehe Rz 3932).
4.10. Bemessungsgrundlage bei Mehrzweckgutscheinen im Zeitpunkt der Einlösung - Rechtslage für ab 1.1.2019 ausgestellte Gutscheine
Bei Mehrzweckgutscheinen, die für Lieferungen oder sonstige Leistungen eingelöst werden, entspricht die Bemessungsgrundlage der für den Gutschein gezahlten Gegenleistung.Sind keine Informationen über die gezahlte Gegenleistung vorhanden, entspricht die Bemessungsgrundlage dem Wert, der auf dem Gutschein selbst angegeben ist oder sich aus den damit zusammenhängenden Unterlagen ergibt.
Die auf die Lieferungen oder sonstigen Leistungen entfallende Mehrwertsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.
Beispiel:
Ein internationales Modeunternehmen (A) verkauft an einen Kunden (K) einen Warengutschein für ein bestimmtes Kleidungsstück um 50 Euro. Dieser kann in Filialen im ganzen EU-Raum oder online eingelöst werden. K schenkt den Gutschein seiner Tochter (T), die diesen in einem österreichischen Geschäft des A einlöst.
Lösung:
Da bei der Ausstellung des Warengutscheins durch A der Leistungsort nicht feststeht, handelt es sich um einen Mehrzweck-Gutschein, der erst mit der Einlösung zu einem steuerbaren Umsatz führt. Die Umsatzsteuer für den Warenverkauf des A an T ist aus dem Bruttobetrag von 50 Euro herauszurechnen (entspricht 8,33 Euro Umsatzsteuer).
Zu Gutscheinen im Sinne des Art. 30a MwSt-RL 2006/112/EG idF RL (EU) 2016/1065 im Allgemeinen siehe Rz 4.
Randzahlen 684 bis 687: derzeit frei.