1.3.3.1. Allgemeines
§ 3 Abs. 4 UmgrStG bezweckt, das inländische Besteuerungsrecht für den Fall zu sichern, dass aus der verschmelzungsbedingten Vereinigung von bisherigen ausländischen Minderheitsbeteiligungen (Portfoliobeteiligungen) von weniger als 10% auf Grund einer Inlandsverschmelzung (siehe Rz 28 ff) bei der übernehmenden Körperschaft eine internationale Schachtelbeteiligung gemäß § 10 Abs. 2 KStG 1988 entsteht. Da mit der verschmelzungsbedingten Vermögensübernahme kein Anschaffungstatbestand verbunden ist, tritt die Steuerneutralität der internationalen Schachtelbeteiligung zwingend ein, eine Option zu Gunsten der Steuerwirksamkeit im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988 ist nicht möglich.Zu den steuerlichen Konsequenzen einer Auslandsverschmelzung (siehe Rz 36 ff) auf Ebene der Anteilsinhaber siehe Rz 290 ff.Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer internationalen Schachtelbeteiligung siehe KStR 2013 Rz 1200 ff.Technisch wird dem Regelungszweck des § 3 Abs. 4 UmgrStG Rechnung getragen, indem die in den "bisher nicht steuerbegünstigten" Beteiligungsquoten enthaltenen stillen Reserven zum Verschmelzungsstichtag in Evidenz zu nehmen sind und bei späterer Veräußerung von der Steuerneutralität ausgenommen werden (siehe Rz 183 ff). Insoweit wird die Wirkung des § 10 Abs. 3 erster Satz KStG 1988 und damit ab Entstehen einer steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung neu entstandene stille Reserven anwendbar.§ 3 Abs. 4 UmgrStG ist nur anzuwenden, wenn die Teilwerte der bisher nicht steuerbegünstigten Beteiligungsquoten höher sind als die Buchwerte. Übersteigt der Teilwert der Anteile einer der beteiligten Körperschaften den Buchwert, ist aber bei der anderen Körperschaft der Teilwert niedriger als der Buchwert, ohne dass es zu einer steuerwirksamen Teilwertabschreibung gekommen ist, sind im Sinne eines Identitätsverfahrens die stillen Reserven der neuen Beteiligung nur bei Veräußerung dieser konkreten Beteiligungsquote von der Steuerneutralität ausgenommen. Dies erfordert, die Beteiligungsquoten entweder buchhalterisch getrennt zu führen, oder die getrennten Werte in sonstiger Weise in Evidenz zu nehmen, um im Falle von Teilverkäufen eine exakte Zuordnung des von der Schachtelbefreiung ausgenommenen Betrages zu gewährleisten.Wurde von den Anschaffungskosten der steuerhängigen Beteiligung vor der Verschmelzung eine Teilwertabschreibung im Sinne des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 vorgenommen, ohne dass es bis zum Verschmelzungsstichtag zu einer steuerwirksamen Zuschreibung gekommen ist, ist der Buchwert von der übernehmenden Körperschaft ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die Siebentelabsetzungen schon erfolgt sind. Auch in diesem Fall ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert und dem höheren Teilwert der Beteiligung zum Verschmelzungsstichtag von der Schachtelbefreiung ausgenommen. Die offenen Siebentel sind von der übernehmenden Körperschaft als Rechtsnachfolgerin planmäßig abzusetzen (Rz 128).1.3.3.2. Anwendungsbereich
Der Tatbestand des § 3 Abs. 4 UmgrStG setzt voraus, dass die ausländischen Minderheitsbeteiligungen von den zu verschmelzenden Körperschaften gehalten werden und durch die verschmelzungsbedingte Anteilsvereinigung bei der übernehmenden Körperschaft eine unter die Steuerneutralität des § 10 Abs. 3 erster Satz fallende internationale Schachtelbeteiligung iSd § 10 Abs. 2 KStG 1988 entweder neu entsteht oder eine bereits bestehende steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung um eine unter 10-prozentige Beteiligung erweitert wird; hinsichtlich der unter 10-prozentigen Beteiligung liegen diesfalls bisher nicht steuerbegünstigte Beteiligungsquoten im Sinne des § 3 Abs. 4 UmgrStG vor.Keine Anwendungsfälle des § 3 Abs. 4 UmgrStG liegen vor,
- wenn für eine mindestens 10-prozentige Auslandsbeteiligung vor der Verschmelzung im Anschaffungsjahr zugunsten der Steuerpflicht im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988 optiert wird (Bindungswirkung der ausgeübten Option erstreckt sich auch auf allfällig hinzukommende Minderheitsbeteiligungen)
- wenn eine bereits bestehende, unter die Steuerneutralität des § 10 Abs. 3 erster Satz KStG 1988 (keine "bisher nicht steuerbegünstigten Beteiligungsquoten", weil die Steuerneutralität auch die übernehmende Körperschaft bindet und keine Minderheitsbeteiligungen bestehen). Dies gilt auch für den Fall, dass die Jahresfrist zum Verschmelzungsstichtag noch nicht erfüllt ist. In diesem Fall entsteht bei der übernehmenden Körperschaft keine internationale Schachtelbeteiligung neu und es wird auch keine bei der übernehmenden Körperschaft bereits bestehende erweitert (siehe Rz 183 ff). War die übernehmende Körperschaft hingegen vor der Verschmelzung schon selbst mit einer Minderheitsbeteiligung an der ausländischen Körperschaft beteiligt, ist § 3 Abs. 4 UmgrStG hinsichtlich der zum Verschmelzungsstichtag in den "bisher nicht steuerbegünstigten Beteiligungsquoten" enthaltenen stillen Reserven anzuwenden, weil sie nach der Verschmelzung auch in der steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung aufgehen.
- wenn zwei bestehende internationale Schachtelbeteiligungen an derselben ausländischen Körperschaft verschmelzungsbedingt zusammentreffen. Fällt die eine Beteiligung unter die Steuerneutralität des § 10 Abs. 3 erster Satz und die andere aufgrund ausgeübter Option unter die Steuerpflicht im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988, ändern sich die jeweiligen Eigenschaften nach § 10 Abs. 3 Z 4 KStG 1988 auch nach der Verschmelzung nicht. Sollte in der Folge eine weniger als 10% betragende Beteiligung an der ausländischen Körperschaft umgründungsbedingt dazuerworben werden, ist der Beteiligungszugang im Verhältnis des steuerneutralen zum steuerwirksamen Teiles der bestehenden Beteiligung zuzuordnen (siehe KStR 2013 Rz 1217).
1.3.3.3. Besitzfrist
Aus dem Blickwinkel des § 3 Abs. 4 UmgrStG sind hinsichtlich der Besitzfrist nachstehende Fälle zu unterscheiden:- Durch die verschmelzungsbedingte Vereinigung zweier bisher nicht steuerbegünstigter Minderheitsbeteiligungen (weniger als 10%) entsteht bei der übernehmenden Körperschaft erstmals eine internationale Schachtelbeteiligung. Da die Anteilsvereinigung keinen Anschaffungstatbestand und daher keinen Anwendungsfall der Option zu Gunsten der Steuerwirksamkeit im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988 darstellt, kommt es bei der übernehmenden Körperschaft zwingend zur Steuerneutralität. Die Jahresfrist beginnt in diesem Fall ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag zu laufen.
- Durch die verschmelzungsbedingte Übertragung einer steuerwirksamen internationalen Schachtelbeteiligung auf eine eine Minderheitsbeteiligung haltende übernehmende Körperschaft ändert sich hinsichtlich der vereinigten Beteiligung nichts an der steuerwirksamen internationalen Schachtelbeteiligung. Gleiches gilt für die Übertragung einer Minderheitsbeteiligung auf die eine steuerwirksame internationale Schachtelbeteiligung haltende übernehmende Körperschaft. In beiden Fällen stellt sich keine Fristenfrage und ist eine Optionsmöglichkeit im Sinne des § 10 Abs. 3 KStG 1988 nicht gegeben. Es bleibt insgesamt bei der Steuerwirksamkeit.
- Durch die verschmelzungsbedingte Übertragung einer steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung wird bei der übernehmenden Körperschaft die bisher nicht steuerbegünstigte Minderheitsbeteiligung auf eine internationale Schachtelbeteiligung erweitert. Bezüglich der übertragenen Schachtelbeteiligung setzt die übernehmende Körperschaft die von der übertragenden Körperschaft begonnene Besitzfrist fort. Die bisher nicht steuerbegünstigte eigene Minderheitsbeteiligung ist in die Schachtelwirkung einzubeziehen, für sie beginnt daher keine Jahresfrist zu laufen.
- Durch die Verschmelzung wird eine bei der übernehmenden Körperschaft schon bestehende steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung um eine bisher nicht begünstigte Auslandsbeteiligung der übertragenden Körperschaft erweitert und ist diese daher in die Schachtelwirkung einzubeziehen; auch hier beginnt daher keine Jahresfrist zu laufen.
1.3.3.4. Ausnahme von der Substanzgewinnbefreiung
Waren sowohl die übertragende Körperschaft als auch die übernehmende Körperschaft vor der Verschmelzung zu weniger als 10% beteiligt und entsteht bei der übernehmenden Körperschaft verschmelzungsbedingt eine internationale Schachtelbeteiligung, ist mangels einer Optionsmöglichkeit (siehe Rz 180) der volle Unterschiedsbetrag zwischen dem höheren Teilwert der Beteiligung im Verschmelzungszeitpunkt (Verschmelzungsstichtag) und dem neuen Buchwert der Beteiligung im Veräußerungsfall von der Steuerfreiheit ausgenommen. Der Unterschiedsbetrag ist daher in Evidenz zu nehmen.Als Buchwert gilt der steuerlich maßgebende Buchwert. Wurde auf die Beteiligung vor der Verschmelzung eine steuerwirksame Teilwertabschreibung gemäß § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 vorgenommen, ist dieser Buchwert unabhängig davon maßgebend, ob die Siebentelabsetzung bis zum Verschmelzungsstichtag abgeschlossen wurde. Die übernehmende Körperschaft setzt als Gesamtrechtsnachfolgerin nach Maßgabe des § 4 UmgrStG die offenen Siebentel ab (Rz 211 f).
Wird die bisher nicht steuerbegünstigte Minderheitsbeteiligung der übernehmenden Körperschaft verschmelzungsbedingt durch die Übertragung einer bestehenden steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung auf eine internationale Schachtelbeteiligung erweitert, ist die Ausnahme von der Schachtelbefreiung gemäß § 3 Abs. 4 UmgrStG nur bezüglich der bisher nicht steuerbegünstigten Minderheitsbeteiligung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der übertragenen bestehenden internationalen Schachtelbeteiligung ist die übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 19 Abs. 1 BAO anzusehen, an der Steuerneutralität dieser Beteiligungsquoten ändert sich folglich nichts.Die Ausführungen in Rz 184 gelten auch für den Fall, dass eine bei der übernehmenden Körperschaft schon bestehende steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung verschmelzungsbedingt um eine bisher nicht begünstigte Auslandsbeteiligung der übertragenden Körperschaft erweitert wird. Durch die Ausnahme von der Schachtelbefreiung bleiben die stillen Reserven der übertragenen bisher nicht steuerbegünstigten Beteiligungsquote bei der übernehmenden Körperschaft steuerverstrickt. Ob bzw. in welcher Höhe der in Evidenz genommene Unterschiedsbetrag im Realisierungsfall zur Nachversteuerung führt, hängt von der Höhe des Veräußerungspreises ab.Befindet sich im Vermögen der übertragenden und/oder der übernehmenden Körperschaft eine internationale Schachtelbeteiligung, bei welcher die einjährige Behaltefrist am Verschmelzungsstichtag noch nicht abgelaufen ist, die aber sonst alle Kriterien einer unter § 10 Abs. 2 KStG 1988 fallende internationalen Schachtelbeteiligung erfüllt, läuft die Jahresfrist nach der Verschmelzung unverändert weiter. Es liegt damit kein Anwendungsfall der Ausnahme von der Schachtelbefreiung gemäß § 3 Abs. 4 UmgrStG und der damit zeitlich unbeschränkten Steuerhängigkeit der stillen Reserven vor. Die Veräußerung der Beteiligung innerhalb der einjährigen Behaltefrist führt unabhängig davon zur vollständigen Besteuerung der stillen Reserven, ob diese auf Zeiträume vor oder nach der Verschmelzung entfallen. Sollte die internationale Schachtelbeteiligung außerhalb der einjährigen Behaltefrist veräußert werden, ist die Ausnahmeregelung im Rahmen der Substanzgewinnbefreiung nicht zu berücksichtigen.