Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 37 Abs. 1 zweiter Teilstrich EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Kalamitätsnutzung, höhere Gewalt, Wiederaufforstung, Aufforstung, Rotfäule, Windbruch |
Verweise: | § 12 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
1. Allgemeines
Zu den Einkünften aus besonderen Waldnutzungen gehören auch Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung), soweit der Steuerpflichtige nicht von der Möglichkeit des § 12 Abs. 7 EStG 1988 Gebrauch gemacht hat. Anders als bei der außerordentlichen Waldnutzung (EStR 2000 Rz 7327 ff) knüpft die Waldnutzung in Folge höherer Gewalt an das Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses an (VwGH 25.03.1966, 1564/65). Kalamitätsnutzungen führen zu wirtschaftlichen Beeinträchtigungen und finanziellen Schäden am Wirtschaftsgut Wald (stehendes Holz) zB durch Verringerung der Stabilität, Minderung des Vorrates, teilweise auch des Zuwachses, Störung der Nachhaltigkeit und des Waldbauzieles. Da diese Beeinträchtigungen und Schäden im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlungsbestimmungen nicht darstellbar sind, dient der Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 6 EStG 1988 für Gewinne aus solchen Holznutzungen sowohl der pauschalen Berücksichtigung dieser steuerlichen Nachteile wie auch im Falle von kalamitätsbedingt zusammengeballten Einkünften der Progressionsmilderung. § 37 Abs. 6 EStG 1988 kommt daher sowohl die Funktion einer Gewinnermittlungsvorschrift (Sondergewinne) als auch die Funktion einer Tarifvorschrift zu.
Die Inanspruchnahme des begünstigten Hälftesteuersatzes ist davon abhängig, ob die jeweilige Holznutzung in unmittelbarem ursächlichen Zusammenhang mit dem konkreten Schadensereignis steht.
2. Höhere Gewalt
Der Begriff der höheren Gewalt als Voraussetzung für das Vorliegen einer Kalamitätsnutzung entspricht jenem des § 12 Abs. 5 und 7 EStG 1988 (siehe EStR 2000 Rz 3864 ff). Es handelt sich dabei um ein von außen kommendes Ereignis, das unabwendbar, dh. durch die unter den gegebenen Umständen vom Betroffenen zu erwartenden Vorkehrungen nicht abwendbar ist, und nicht der typischen Betriebsgefahr unterliegt. Aus dem Umstand, dass gegen ein über einen langen Zeitraum eingetretenes Schadensereignis (zB Schädlingsbefall, Eichensterben) keine wirksame Abwehrmaßnahme gefunden wurde, kann nicht abgeleitet werden, dass sich der Steuerpflichtige mit diesem Umstand abgefunden hat und eine Kalamitätsnutzung dadurch ausgeschlossen wird (VwGH 25.03.1966, 1564/65). Eine Anhäufung von Kalamitätsnutzungen über einen langen Zeitraum spricht nicht gegen die Anwendbarkeit des § 37 Abs. 6 EStG 1988.
Eine Waldnutzung infolge höherer Gewalt ist beispielsweise in folgenden Fällen gegeben:
- Waldnutzungen insbesondere infolge von Wind-, Schnee- oder Eisbruch/wurf, Insektenfraß, Hochwasser, Brand, Lawinen, Muren oder Blitzschlag. Folgehiebe hiezu (Ausgleichshiebe, Schlagfrontbegradigungen, Entfernung überhängender Bestandsreste usw.) sind erfasst, wenn sie mit der durch das Schadensereignis unmittelbar veranlassten Nutzung in ursächlichem Zusammenhang stehen und die Nutzung bis zum Ende des darauffolgenden Wirtschaftsjahres erfolgt. Folgehiebe über diesen Zeitraum hinaus bedürfen einer schlüssigen Begründung.
- Nutzung des Trassenholzes von Forststraßen, die unmittelbar und überwiegend für die Bringung von Kalamitätsholz erforderlich werden.
- Nutzung von Baumgruppen oder Einzelbäumen wegen Insekten- und/oder Pilzbefall, ungeachtet des Bestandsalters und der begleitenden waldbaulichen Maßnahmen, sofern diese durch den Befall maßgeblich geschädigt sind.
- Nutzung von immissionsgeschädigten Baumgruppen oder Einzelbäumen, ungeachtet des Bestandsalters und der begleitenden waldbaulichen Maßnahmen, wenn sie Bäume umfasst, die durch die Immission einen Nadel- oder Blattverlust von mehr als der Hälfte gesunder Bäume aufweisen.
- Schäden, insbesondere Rotfäule, die ihre Ursache in der Sphäre des Rechtsvorgängers haben (zB als Folge von vorrangig jagdlichen Interessen des Rechtsvorgängers), wenn der Rechtsnachfolger alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, die Schädigung zu vermeiden.
Eine Waldnutzung infolge höherer Gewalt ist in folgenden Fällen nicht gegeben:
- Fällung pilzbefallener Einzelstämme, welche in die Kraft'schen Baumklassen 4 b und 5 einzuordnen sind, in hiebsunreifen Beständen.
- Waldbauliche Entnahme von Dürrlingen, die zum natürlich ausscheidenden Bestand zählen (VwGH 25.03.1966, 1564/65).
- Folgehiebe, die nicht geschädigte Bäume betreffen, wenn die Waldbewirtschaftung gezielt auf die Entnahme von Einzelstämmen oder Baumgruppen ausgerichtet ist (Plenterbewirtschaftung).
- Schäden, die durch eine Waldbewirtschaftung, bei der die jagdlichen Interessen gegenüber den forstwirtschaftlichen Interessen im Vordergrund waren, entstanden sind. Zur Waldnutzung infolge höherer Gewalt zählen jedoch
- Nutzungen infolge von Schäden, die ihre Ursache in der Jagdbewirtschaftung des (auch nicht unmittelbar angrenzenden) Nachbarbesitzes haben (auch Staatsgrenzen überschreitend), wenn der Geschädigte sämtliche zumutbaren Maßnahmen zur Durchsetzung einer mit der zeitgemäßen, forstlichen Bewirtschaftung im Einklang stehenden Jagdbewirtschaftung ergriffen hat sowie
- Schälschäden in Monokulturen, wenn die Monokultur zu einem Zeitpunkt angelegt wurde, als diese Art der Auspflanzung der zeitgemäßen forstlichen Bewirtschaftung entsprach und in der Folge entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung eingeleitet wurden.
- Bewirtschaftungsschäden, zB Fällungs-, Rücke-, Wegebau- und Steinschlagschäden, soweit sie durch eine nicht zeitgemäße, forstliche Bewirtschaftung entstanden sind (vgl. VwGH 14.09.1956, 0059/54).
- Ereignisse, die einer typischen Betriebsgefahr entspringen. Bei der Beurteilung, ob Schädigungen der typischen Betriebsgefahr zuzurechnen sind, ist auf die besondere Wirtschaftsweise im Forst bedingt durch die jeweilige Umtriebszeit Bedacht zu nehmen. Eine typische Betriebsgefahr ist in folgenden Fällen gegeben:
- Ausfälle aufgrund der natürlichen Selektion ("Dürrlinge") und der Überalterung von Waldbeständen (VwGH 25.03.1966, 1564/65),
- Hochwasserschäden in Überschwemmungsgebieten,
- Schäden am stehenden Holz in Wild- und Jagdgattern,
- Rotfäule als Folge von Schneitelung und Beweidung,
- Rotfäule, soweit sie in Erstaufforstungsbeständen auftritt,
- Rotfäule in späteren Aufforstungen, wenn die Schädigungen nicht über das Normalausmaß hinausgehen. Dies ist anzunehmen, wenn die Schädigung weniger als 30% des Nutzungsbestandes beträgt. Der Wert von 30% stellt eine Freigrenze dar, bei deren Unterschreitung die genutzten rotfaulen Bäume des Bestandes nicht zur Waldnutzung in Folge höherer Gewalt zählen. Bei Überschreitung der Freigrenze gelten jedoch alle genutzten Bäume des Bestandes als Waldnutzung in Folge höherer Gewalt. Der Prozentwert ist auf die Nutzungsmenge des jeweiligen Nutzungsbestandes zu beziehen.
Unabhängig vom Ausmaß der Rotfäule im Baum ist stets der gesamte Baum als Kalamitätsnutzung zu werten. Nicht von der Rotfäule befallene Bäume im Rahmen der Nutzung des jeweiligen Bestandes stellen keine Kalamitätsnutzung dar. In der Bescheinigung der Bezirksverwaltungsbehörde (siehe EStR 2000 Rz 7326) ist das Ausmaß aller genutzten rotfaulen Bäume an der Gesamtnutzung des jeweiligen Bestandes anzugeben, wenn in den jeweiligen Beständen das Schadensausmaß von 30% überschritten wird, - Kronenverlichtungen, sofern diese nicht durch waldschädigende Luftschadstoffe (Immissionen) verursacht werden.
3. Ermittlung der Einkünfte infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzung)
Als "Einkünfte aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt" unterliegt der positive Saldo zwischen den Einnahmen aus der Kalamitätsnutzung und den damit zusammenhängenden Aufwendungen dem Hälftesteuersatz.
3.1. Einnahmen aus Kalamitätsnutzungen
Die Einnahmen aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt sind auf Grundlage von Festmeter-Durchschnittserlösen aus der Jahresgesamtnutzung nach den Sortimentsgruppen Blochholz/Industrieholz/Brennholz zu ermitteln; diese Sortimentsdifferenzierung ist aus den Aufzeichnungen des Forstbetriebes herzuleiten. Zu den Einnahmen aus Kalamitätsnutzungen gehören Entschädigungen nur insoweit, als sie mit der Kalamität unmittelbar zusammenhängen.
3.2. Aufwendungen in Zusammenhang mit Kalamitätsnutzungen
Die Einnahmen sind um die damit zusammenhängenden Betriebsausgaben einschließlich der im gleichen Gewinnermittlungszeitraum angefallenen direkt zurechenbaren Aufforstungskosten zu kürzen. Als mit den Einnahmen aus der Kalamitätsnutzung im Zusammenhang stehende Aufwendungen gelten:
- Materialkosten für Schlägerung,
- Löhne und Gehälter für Forstpersonal einschließlich Lohnnebenkosten für Holzernte und Vermarktung,
- Gemeinkosten der Holzernte und Vermarktung in Höhe von 5% der der Holzernte und Vermarktung zurechenbaren Gehaltskosten (niedrigere Gemeinkosten können vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden),
- Fremdarbeiten für Holzernte und Vermarktung,
- Maschinenkosten, soweit der Holzernte zurechenbar,
- AfA der Forststraßen, soweit diese der Holzernte zurechenbar ist. Bei Forstwegen mit Bitumen-, Asphalt- oder Betondecke kann die Nutzungsdauer mit 15 Jahren, bei einem festen Unterbau mit 10 Jahren und ohne festen Unterbau (Trassenherstellung) mit 5 Jahren angenommen werden.
- Kosten der Instandhaltung von Forststraßen, soweit diese der Holzernte zurechenbar und durch die Kalamitätsnutzung verursacht ist,
- AfA der Fahrzeuge, soweit der Holzernte zurechenbar.
Die Aufteilung der Kosten ist entsprechend den eingeschlagenen Festmetern anteilig im Verhältnis der Kalamitätsnutzung zur Gesamtnutzung vorzunehmen. Weitere Aufwendungen sind - mit Ausnahme von Aufforstungskosten - nicht abzuziehen.
3.3. Aufforstungskosten
Die Einnahmen aus Kalamitätsnutzungen sind weiters um die der Kalamitätsnutzung direkt zurechenbaren Aufforstungskosten (Kosten der Pflanzen und Personalkosten der Auspflanzung) zu kürzen. Davon sind auch Aufforstungskosten betroffen, die nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraumes anfallen. Bei Gewinnermittlung durch Bilanzierung ist dafür eine Rückstellung für vorbelastete Einnahmen zu bilden, die im Jahr des Kostenanfalles aufzulösen ist.
4. Anwendungszeitraum
Dieser Erlass ist für Kalamitätsnutzungen ab dem Veranlagungszeitraum 2015 anzuwenden. Die Abschnitte 3.1. und 3.3. sind für Kalamitätsnutzungen ab dem Veranlagungszeitraum 2016 anzuwenden. Soweit dieser Erlass keine weiteren oder gegenteiligen Aussagen enthält, sind die EStR 2000 Rz 7334 ff anzuwenden.
Bundesministerium für Finanzen, 2. Oktober 2015
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Schlagworte: | Kalamitätsnutzung, höhere Gewalt, Wiederaufforstung, Aufforstung, Rotfäule, Windbruch |
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