Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | BMF 06.07.2006, BMF-010103/0056-VI/2006, AÖF Nr. 216/2006 |
3.10. Folgen für Nebenansprüche
Ist Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag die im angefochtenen Abgabenbescheid festgesetzte Stammabgabe, so hat die (ersatzlose) Aufhebung des betreffenden Bescheides zur Folge, dass der Verspätungszuschlagsbescheid gemäß § 295 Abs. 3 BAO aufzuheben ist.
Wird diese Bemessungsgrundlage in der Beschwerdevorentscheidung geändert, so ist nach § 295 Abs. 3 BAO der Verspätungszuschlag entsprechend (unter neuerlicher Übung des gemäß § 135 BAO eingeräumten Ermessens) anzupassen. Siehe Erlass zum Verspätungszuschlag (§ 135 BAO) vom 10. April 2006, BMF-010103/0030-VI/2006, AÖF Nr. 128/2006.
Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Stundungszinsen, Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge von Amts wegen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen (nach den §§ 212 Abs. 2 letzter Satz, 212a Abs. 9 dritter Satz und 217 Abs. 8 BAO).
3.11. Verbindung mehrerer Beschwerden (§ 267 BAO), einheitliche Entscheidungen (§ 281 BAO)
Ist ein Bescheid von mehreren Beschwerdeführern angefochten oder sind gegen einen Bescheid mehrere Bescheidbeschwerden eingebracht, so sind diese Beschwerden zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden (§ 267 erster Satz BAO).
Eine solche Verbindung hat beispielsweise zu erfolgen, wenn
- ein Feststellungsbescheid (§ 188 BAO) von mehreren Beschwerdebefugten (zB bei einer KG von mehreren Gesellschaftern) bekämpft wird,
- ein Einheitswertbescheid (§ 186 BAO) von mehreren am Gegenstand der Feststellung beteiligten Personen angefochten wird,
- ein Zerlegungsbescheid (§ 10 KommStG 1993) von mehreren Gemeinden mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.
§ 267 erster Satz BAO ist hingegen nicht anwendbar, wenn der mit Haftungsbescheid in Anspruch Genommene sowohl den Haftungsbescheid als auch den Bescheid über den Abgabenanspruch (nach § 248 BAO) mit Bescheidbeschwerde anfechtet (vgl zB VwGH 28.6.2001, 2000/16/0886).
§ 281 Abs. 1 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen (somit ua. Beschwerdevorentscheidungen) getroffen werden. Solche Entscheidungen wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid.
Ein Erkenntnis (des Verwaltungsgerichtes) über das Bestehen einer Abgabenschuld, das auf Grund einer vom Haftungspflichtigen nach § 248 BAO eingebrachten Bescheidbeschwerde ergeht, wirkt auch für und gegen den Abgabepflichtigen (§ 281 Abs. 2 BAO).
Nach § 263 Abs. 4 BAO gilt § 281 BAO sinngemäß auch für Beschwerdevorentscheidungen. Allerdings gilt die Wirkung des § 281 Abs. 2 BAO (zufolge § 263 Abs. 4 zweiter Halbsatz BAO) nur, soweit sich aus der in § 278 Abs. 3 BAO oder aus der in § 279 Abs. 3 BAO angeordneten Bindung nicht anderes ergibt. Diese Bindung an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss (des Verwaltungsgerichtes) dargelegte Rechtsanschauung bzw. an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung besteht nur für die Abgabenbehörden (nicht aber für die Verwaltungsgerichte). Sie besteht nur bei unveränderter Sach- und Rechtslage (vgl. zB VwGH 12.10.1993, 93/07/0062, zu § 66 Abs. 2 AVG).
3.12. Unterbleiben von Beschwerdevorentscheidungen
3.12.1. § 262 Abs. 2 bis 4 BAO
In den Abs. 2 bis 4 des § 262 BAO sind drei Ausnahmen von der in Abs. 1 normierten Pflicht der Abgabenbehörden, über Bescheidbeschwerden stets mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen, vorgesehen.
Nach § 262 Abs. 2 BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
Das Antragsrecht kann nur in der Bescheidbeschwerde selbst, nicht aber in einer nachträglich ergänzenden Eingabe ausgeübt werden.
Aus dem Antrag ergibt sich kein Rechtsanspruch auf Unterbleiben der Beschwerdevorentscheidung bzw. auf Vorlage innerhalb der drei Monate. Über den Antrag ist nicht bescheidmäßig abzusprechen. Ergeht innerhalb der drei Monate trotz des Antrages des Beschwerdeführers eine Beschwerdevorentscheidung, so ist dies nach § 93 Abs. 3 lit. a BAO zu begründen.
Der Antrag ist vor Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zurücknehmbar.
Die Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung nach § 262 Abs. 2 BAO kommt beispielsweise in Betracht, wenn im Beschwerdeverfahren lediglich die Rechtmäßigkeit von in Erlässen des BMF vertretener Rechtsanschauungen strittig ist oder wenn die Abgabenbehörde als Folge der in den §§ 278 Abs. 3 oder 279 Abs. 3 BAO normierten Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes den Bescheid nicht abändern darf (diese Bindung besteht nur für Abgabenbehörden, nicht jedoch für die Verwaltungsgerichte).
Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen (§ 262 Abs. 3 BAO).
Nach ungenütztem Ablauf dieser Frist wird aus dem Recht der Abgabenbehörde, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, eine Pflicht.
Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat (§ 262 Abs. 4 BAO). Rechtsgrundlage für solche Bescheide sind beispielsweise § 48 BAO und § 103 EStG 1988.
3.12.2. Vorübergehendes Unterbleiben
Vorübergehend ist die Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen untersagt, wenn eine Aussetzung der Entscheidung (§ 271 BAO) erfolgt und noch wirksam ist.
Die Pflicht, vorübergehend keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, kann sich für Kammerumlagen (§ 122 Abs. 1 WKG und § 122 Abs. 7 WKG) weiters aus den §§ 122 Abs. 10 bzw. 126 Abs. 2 WKG ergeben.
Wird ein Rechtsmittel (gegen solche Kammerumlagen festsetzende Bescheide) erhoben, mit dem die Umlagepflicht dem Grunde nach bestritten wird, so ist das Verfahren zu unterbrechen und die Frage dem Präsidenten der zuständigen Landeskammer zur Entscheidung vorzulegen.
Auf dieses Verfahren sind die Vorschriften des AVG sinngemäß anzuwenden (nach § 128 Abs. 5 WKG). Gegen den Bescheid des Präsidenten der Landeskammer kann binnen vier Wochen ab Zustellung Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden.
Das unterbrochene Rechtsmittelverfahren ist von der Abgabenbehörde nach Zustellung der Entscheidung des Präsidenten der Landeskammer fortzusetzen.
3.13. Zuständigkeit
Die Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen obliegt stets jener Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Dies gilt auch bei Übergang der Zuständigkeit.
Nach § 4 AVOG 2010 berührt der Übergang der Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde nicht die Zuständigkeit der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde im Beschwerdeverfahren betreffend von ihr erlassene Bescheide.
§ 4 AVOG 2010 gilt auch für einen Übergang der sachlichen Zuständigkeit auf ein anderes Finanzamt. Ein solcher Übergang kann sich zB aus § 15 Abs. 2 AVOG 2010 (Änderung der Größenmerkmale bei einer GmbH) ergeben.
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betroffene Normen: | § 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | BMF 06.07.2006, BMF-010103/0056-VI/2006, AÖF Nr. 216/2006 |