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Arbeitsrichtlinie Produktpiraterie (VB-0730); Leitlinien der Europäischen Kommission zur Durchsetzung von Rechten geistigen Eigentums durch die EU-Zollbehörden bei der Durchfuhr von Waren durch die EU, insbesondere bei Medikamenten

BMFBMF-010311/0048-IV/8/201220.4.20122012

Die Europäische Kommission hat im Hinblick auf

die als Anlage angeschlossenen Leitlinien zur Durchsetzung von Rechten geistigen Eigentums durch die EU-Zollbehörden bei der Durchfuhr von Waren durch die EU erlassen. Diese Leitlinien wurden in allen Amtssprachen auf der Homepage der Kommission unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/customs_controls/counterfeit_piracy/legislation/index_de.htm veröffentlicht.

Die Leitlinien kommen zu folgendem Ergebnis:

1. Die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 (PPV 2004, Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 ) und die Durchführungsverordnung zur EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 (PPV-DV 2004, Verordnung (EG) Nr. 1891/2004 ) enthalten keine materiellrechtlichen Vorschriften (oder Auslegungen materiellrechtlicher Vorschriften) zur Festlegung von Bedingungen, unter denen Transitwaren (oder andere Waren) Rechte geistigen Eigentums verletzen. Sie verweisen diesbezüglich auf die einschlägigen materiellrechtlichen Rechtsvorschriften zum geistigen Eigentum (Markenschutzgesetz, Musterschutzgesetz, Patentgesetz 1970, udgl.). Ob bzw. unter welchen Bedingungen insbesondere Transitwaren als "Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen" im Sinne der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 einzustufen sind, richtet sich daher ausschließlich nach diesen materiellrechtlichen Rechtsvorschriften zum geistigen Eigentum, wobei die Feststellung, ob tatsächlich "Rechte geistigen Eigentums" verletzt sind, den Gerichten in einem zivilrechtlichen und/oder strafrechtlichen Verfahren obliegt.

2. Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass Waren, die aus einem Drittstaat stammen und die eine Nachahmung einer in der Union durch Markenrechte geschützten Ware oder die eine Nachbildung einer in der Union durch ein Urheberrecht, ein verwandtes Schutzrecht oder ein Geschmacksmuster geschützten Ware darstellen, nicht allein deshalb als "nachgeahmte Waren" oder als "unerlaubt hergestellte Waren" im Sinne der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 eingestuft werden können, weil sie in einem Nichterhebungsverfahren in das Zollgebiet der Union verbracht wurden. Dies gilt auch für Waren in anderen zollrechtlichen Situationen wie vorübergehende Verwahrung, Einbringung in Freizonen bzw. Freilager oder Situationen im Zusammenhang mit der Umladung.

Umgekehrt schließt die bloße Tatsache, dass Nichtgemeinschaftswaren während des gesamten Zollverfahrens Nichtgemeinschaftswaren bleiben, Maßnahmen zum Schutz von Rechten geistigen Eigentums nicht aus.

3. Eine Verletzung der Rechte geistigen Eigentums kann gegeben sein, wenn aus Drittstaaten stammende Waren, die sich ohne Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (zB bei einer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren) innerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union befinden, Gegenstand einer an den EU-Markt gerichteten geschäftlichen Handlung (wie eines Verkaufs, eines Verkaufsangebots oder einer Werbung) sind oder bereits vor ihrer Ankunft in der EU waren. Das Gleiche gilt, wenn aus Unterlagen (zB Gebrauchsanweisungen) oder aus einem die Waren betreffenden Schriftverkehr offensichtlich hervorgeht, dass eine Umleitung auf den EU-Markt geplant ist.

4. Werden Waren, bei denen der Verdacht besteht, dass sie

- eine Nachahmung einer in der Union durch Markenrechte geschützten Ware darstellen,

- eine Nachbildung einer in der Union durch ein Urheberrecht, ein verwandtes Schutzrecht oder ein Geschmacksmuster geschützten Ware darstellen, oder

- ein Patent, ein ergänzendes Schutzzertifikat, ein Sortenschutzrecht, eine Ursprungsbezeichnung oder eine geografische Angabe verletzen,

nicht zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet, sondern liegt ein anderer Anwendungsfall gemäß Artikel 1 Abs. 1 PPV 2004 (siehe VB-0730 Abschnitt 3.1.) vor, ist eine Aussetzung der Überlassung oder Zurückbehaltung nach der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 (siehe VB-0730 Abschnitt 3.4.) nur dann zulässig, wenn überdies Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht begründen können, dass die Waren Gegenstand einer an den EU-Markt gerichteten geschäftlichen Handlung sind oder waren oder dass eine Umleitung auf den EU-Markt geplant ist. Solche Anhaltspunkte können unter anderem sein:

- die Nichtangabe der Bestimmung der Waren, obwohl das beantragte Nichterhebungsverfahren eine entsprechende Erklärung verlangt,

- das Fehlen genauer oder verlässlicher Informationen über die Identität oder die Anschrift des Herstellers oder des Versenders der Waren,

- die mangelnde Zusammenarbeit mit den Zollbehörden oder

- das Auffinden von Unterlagen oder von Schriftverkehr, die die fraglichen Waren betreffen und die vermuten lassen, dass eine Umleitung dieser Waren auf den EU-Markt eintreten kann.

Ein solcher Verdacht muss sich immer aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.

Beispiele:

Die bloße Durchfuhr von Medikamenten durch das Gebiet der EU, für die im EU-Gebiet ein Patentrecht gilt, stellt für die Zollbehörden eines Mitgliedstaates noch keine ausreichende Grundlage dar, eine Verletzung der Patentrechte durch die betreffenden Medikamente zu vermuten, und rechtfertigt daher nicht, dass die Zollbehörden nach der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 tätig werden.

Liegen hingegen in einer Situation, in der sich Medikamente zur Durchfuhr im Gebiet der EU befinden, geeignete, den Zollbehörden ausreichende Beweise vor, dass solche Medikamente mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den EU-Markt umgeleitet werden, kann dies für die Zollbehörden eine ausreichende Grundlage darstellen, eine Verletzung der Patentrechte durch die betreffenden Medikamente zu vermuten und nach der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 tätig zu werden.

Diese Info wird zu einem späteren Zeitpunkt in der Arbeitsrichtlinie Produktpiraterie (VB-0730) berücksichtigt werden.

Bundesministerium für Finanzen, 20. April 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Zoll

betroffene Normen:

PPV 2004, VO 1383/2003 , ABl. Nr. L 196 vom 02.08.2003 S. 7
PPV-DV 2004, VO 1891/2004 , ABl. Nr. L 328 vom 30.10.2004 S. 16
PPG 2004, Produktpirateriegesetz 2004, BGBl. I Nr. 56/2004

Schlagworte:

Durchfuhr, Transit, Medikamente

Verweise:

VB-0730
EuGH 01.12.2011, C-446/09

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