Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 1 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010 |
Schlagworte: | Zuständigkeit, Delegierung, Zuständigkeitsstreit, Übergang der Zuständigkeit, Feststellungsbescheide |
Verweise: | § 9 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |
1.2. Österreichweite Zuständigkeiten (§ 12 AVOG 2010)
Nach § 12 Abs. 4 AVOG 2010 können die dort genannten Amtshandlungen von allen Abgabenbehörden vorgenommen werden.
Bei der Durchführung dieser Amtshandlungen sind die Organe als Organe des jeweils zuständigen Finanzamtes tätig (§ 12 Abs. 4 letzter Satz AVOG 2010).
§ 12 Abs. 5 und 6 AVOG 2010 sieht in außerabgabenrechtlichen Angelegenheiten (insbesondere in Glücksspielangelegenheiten) Zuständigkeiten aller Finanzämter bzw. des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vor.
1.3. Übergang der Zuständigkeit
1.3.1. Delegierung (§ 3 AVOG 2010)
Die örtlich zuständige Abgabenbehörde erster Instanz kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens, für die Erhebung einer Abgabe eine andere Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid bestimmen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen (§ 3 AVOG 2010).
Die Erlassung von Delegierungsbescheiden obliegt dem für die betreffende Angelegenheit (zB Erhebung einer Abgabe, Verfahren über die Feststellung von Einkünften) zuständigen Finanzamt.
Erlässt eine unzuständige Abgabenbehörde einen solchen Bescheid, so ist er nicht ungültig. Daher kommt die "Schlichtung" eines Zuständigkeitsstreits (insbesondere bei widersprüchlichen Ermittlungsergebnissen etwa darüber, welche Behörde Wohnsitzfinanzamt im Sinn des § 20 AVOG 2010 ist) im Wege eines Delegierungsbescheides in Betracht.
Die Erlassung von Delegierungsbescheiden liegt im Ermessen. Delegierungen können beispielsweise zweckmäßig (verwaltungsökonomisch) sein im Interesse der Konzentration der Zuständigkeiten bei einem (einzigen) Finanzamt.
Zuständigkeitsübertragungen dürfen überwiegende Interessen der Partei nicht verletzen. Solche Interessen können sich etwa aus höheren Kosten bei größerer Entfernung des Finanzamtes etwa zum Wohnsitz der Partei ergeben.
Das Parteiengehör (§ 115 Abs. 2 BAO) ist vor Erlassung des Delegierungsbescheides zu wahren. Dies ist nur entbehrlich, wenn die Delegierung einer diesbezüglichen Anregung der Partei Rechnung trägt.
Der Zuständigkeitsübergang erfolgt im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an die Partei (§ 78 BAO), sofern im Bescheidspruch nicht ein anderer Zeitpunkt angeordnet ist.
Der Zuständigkeitsübergang erfolgt unabhängig davon, ob bzw. wann das neu zuständige Finanzamt von der Delegierung Kenntnis erlangt. Dem neu zuständigen Finanzamt ist unverzüglich eine Ausfertigung (Ablichtung) des Delegierungsbescheides zu übermitteln.
Delegierungsbescheide sind verfahrensrechtliche Bescheide. Sie sind (abgesondert) mit Berufung anfechtbar. Berufungsbefugt ist der Bescheidadressat (somit die Partei im Sinn des § 78 BAO).
§ 294 BAO (Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft) ist für Delegierungsbescheide nicht anwendbar.
Die Änderung der für die Bescheiderlassung maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (zB neuerliche Verlegung der Geschäftsleitung oder des Wohnsitzes der Partei) beseitigt nicht die Rechtswirkungen des Delegierungsbescheides.
1.3.2. Ende der Zuständigkeit (§ 6 AVOG 2010)
Die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben endet mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Vom Übergang der Zuständigkeit ist der Abgabepflichtige in Kenntnis zu setzen. Solange eine solche Verständigung nicht ergangen ist, können Anbringen auch noch bei der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde eingebracht werden (§ 6 AVOG 2010).
Eine solche Verständigung ist gegenüber Arbeitnehmern (nach § 6 zweiter Satz AVOG 2010) nur erforderlich, wenn eine Veranlagung nach § 41 EStG 1988 beim Übergang der Zuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Die Zuständigkeit des Finanzamtes für die Erhebung von Abgaben endet daher, abgesehen von den Fällen des § 3 AVOG 2010 (Delegierung), mit dem Zeitpunkt, in dem ein anderes Finanzamt von den seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt.
Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch das neu zuständige Finanzamt ist maßgeblich für den Zuständigkeitsübergang.
Es kommt somit weder auf den Zeitpunkt an, in dem das die Zuständigkeit beeinflussende Ereignis eintritt, noch auf den Zeitpunkt, in dem das bisher zuständige Finanzamt von einem solchen Ereignis Kenntnis erlangt (zB VwGH 17.02.1999, 98/14/0105; VwGH 17.12.2003, 99/13/0032).
§ 6 AVOG 2010 gilt für Übergänge der sachlichen und der örtlichen Zuständigkeit.
Die sachliche Zuständigkeit kann sich beispielsweise als Folge des § 15 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AVOG 2010 ändern, wenn sich die Größenmerkmale einer GmbH ändern.
Die örtliche Zuständigkeit ändernde Ereignisse sind beispielsweise
- die Verlegung der Geschäftsleitung (zB für § 21 Abs. 1 AVOG 2010),
- der Wohnsitzwechsel (zB für § 20 Abs. 1 AVOG 2010; vgl zB UFS 21.03.2003, RV/0479-W/06, RV/1806-W/06).
Der Zuständigkeitsübergang betrifft auch
- die Erhebung von Abgaben, wenn der Abgabenanspruch (§ 4 BAO) vor diesem Zeitpunkt entstanden ist (vgl. zB UFS 15.11.2005, RV/1205-W/03),
- die Entscheidungspflicht über Anbringen (zB Abgabenerklärungen, Anträge auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, Anträge auf Aufhebung gemäß § 299 BAO), die vorher eingereicht wurden,
- die Berichtigung (§§ 293, 293b und 293c BAO) von der bisher zuständigen Abgabenbehörde erlassener Bescheide,
- die Wiederaufnahme von Verfahren (§ 303 BAO), die von der bisher zuständigen Abgabenbehörde abgeschlossen sind,
- die Einhebung und zwangsweise Einbringung von Abgabenschuldigkeiten, die durch die bisher zuständige Abgabenbehörde festgesetzt wurden.
Zustellbevollmächtigungen behalten auch nach Zuständigkeitsänderung ihre Wirksamkeit; sie sind daher auch von der neu zuständig gewordenen Behörde zu beachten (VwGH 04.11.2009, 2008/17/0094).
§ 6 AVOG 2010 gilt nicht, wenn ein Finanzamt von Anfang an nicht zuständig war (vgl. VwGH 30.05.2001, 2000/13/0195; UFS 16.03.2005, RV/1872-W/04).
Der Übergang der Zuständigkeit betrifft nicht die Zuständigkeit der bisher zuständigen Abgabenbehörde im Berufungsverfahren betreffend von ihr erlassene Bescheide (zufolge § 4 AVOG 2010). Dies betrifft etwa
- die Erlassung von Berufungsvorentscheidungen (§ 276 Abs. 1 BAO),
- und von anderen das Berufungsverfahren erledigenden Bescheiden (zB Zurückweisung gemäß § 273 BAO, Zurücknahmebescheid gemäß § 85 Abs. 2 BAO) sowie
- die Rechtsstellung als "Amtspartei" (im Sinn des § 276 Abs. 7 BAO).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz (des § 4 AVOG 2010) ist in § 30 Abs. 4 letzter Satz AVOG 2010 geregelt (für Zuständigkeitsübergänge auf das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit 1. Jänner 2011).
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Schlagworte: | Zuständigkeit, Delegierung, Zuständigkeitsstreit, Übergang der Zuständigkeit, Feststellungsbescheide |
Verweise: | § 9 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |