EAS 2880
Wendet man auf den in EAS 2875 behandelten Fall (Gewinnausschüttung aus einer 14,16-prozentigen Beteiligung an einer schweizerischen Kapitalgesellschaft) nicht die Niederlassungsfreiheit des Artikels 43 EGV, sondern die Kapitalverkehrsfreiheit des Artikels 56 EGV an, ist es erheblich, ob bei der gegenständlichen Beteiligung im Jahr 2001 eine "Direktinvestition" iSd Artikels 57 Abs. 1 EGV gegeben war.
In der Rs Holböck vom 24.05.2007, C-157/05 , hat der EuGH den Begriff Direktinvestition näher definiert. Ausschlaggebend ist, dass eine dauerhafte und direkte Beziehung durch die Investition geschaffen wird. Dies setzt voraus, dass die Aktien ihrem Inhaber entweder nach den nationalen aktienrechtlichen Vorschriften oder aus anderen Gründen die Möglichkeit geben, sich tatsächlich an der Verwaltung dieser Gesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen. Der Gerichtshof setzt hierbei aber keine Anforderungen in Bezug auf das Ausmaß dieser Einflussnahmemöglichkeiten eines Aktionärs. Auch wird in der Urteilsbegründung nicht darauf eingegangen, ob und gegebenenfalls mit welcher Häufigkeit von solchen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird. Die bloße Möglichkeit hierzu ist ausreichend, um einer Beteiligung den Charakter einer "Direktinvestition" zu verleihen.
Nach österreichischer Rechtslage haben gemäß § 118 Abs. 2 und 3 AktG Aktionäre ab einer Beteiligungshöhe von 10% am Grundkapital das Recht, eine Sonderprüfung und eine Prüferbestellung durch das Gericht zu verlangen. Weiters können sie gemäß § 125 Abs. 6 AktG eine Vertagung der ordentlichen Hauptversammlung bei Bemängelung bestimmter Posten des Jahresabschlusses erreichen. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann gemäß § 270 Abs. 3 UGB die Bestellung eines anderen Abschlussprüfers beantragt werden. Gemäß § 88 Abs. 4 AktG kann die Abberufung eines entsandten Aufsichtsratsmitgliedes aus wichtigem Grund durch das Gericht beantragt werden. Aus diesen Minderheitenrechten ergibt sich, dass eine 14,16-prozentige Beteiligung am Grundkapital eine tatsächliche Beteiligung zumindest an der Kontrolle der Gesellschaft ermöglicht. Wer aber Kontrollrechte hat, kann damit auch einen gewissen Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft ausüben, nämlich insoweit als er unter Ausübung der ihm zustehenden Informationsbefugnisse in der Lage ist, Misstände und Fehler in der Verwaltung hintanzuhalten.
Auch das schweizerische Recht kennt durchaus vergleichbare Kontrollbefugnisse. So ist beispielsweise ein 10-prozentiger Minderheitsaktionär gemäß Art. 697b I OR (OR ist das schweizerische Obligationenrecht, das im fünften Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches in den Art. 530 ff das Gesellschaftsrecht enthält) berechtigt, eine von der schweizerischen Generalversammlung abgelehnte Sonderprüfung gerichtlich durchzusetzen.
Da die vom EuGH geforderten Einflussmöglichkeiten für einen 10-prozentigen Minderheitsaktionär gegeben sind, wird im gegenständlichen Fall daher von einer Direktinvestition iSd Artikels 57 Abs. 1 EGV auszugehen sein.
Dies hat zur Folge, dass die Besteuerung der schweizerischen Gewinnausschüttung im Jahr 2001 - selbst wenn man die Anwendbarkeit der nicht für Drittstaaten wirkenden Niederlassungsfreiheit verneint - nicht in den Schutzbereich der für Drittstaaten geltenden Kapitalverkehrsfreiheit fällt, weil die hierfür maßgebende nationale Besteuerungsvorschrift bereits am 31.12.1993 in Geltung war.
Bundesministerium für Finanzen, 4. September 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 118 Abs. 2 AktG, Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98/1965 |
Schlagworte: | Kapitalverkehrsfreiheit, Direktinvestition |
Verweise: |