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Zur Frage der "Reinwaschung" von Steueroaseneinkünften

BMFE 12/17-IV/4/035.1.20042004

EAS 2400

Bei der Auslegung von Rechtsvorschriften ist in besonderem Maße auf den Sinn des Gesetzes Bedacht zu nehmen. § 10 Abs. 3 KStG und die Nachfolgebestimmung des § 10 Abs. 4 KStG wollen der Steuerumgehung unter Nutzung von Steueroasen einen Riegel vorschieben. Unbesteuerte Steueroaseneinkünfte sollen daher bei einer Ausschüttung an österreichische Muttergesellschaften ihre Steuerfreiheit verlieren. Zur Durchführung dieser Zielsetzung ist die Verordnung BGBl. Nr. 57/1995 ergangen, deren wesentliche Aussagen insoweit auch im zeitlichen Anwendungsbereich des § 10 Abs. 4 KStG gelten, als ihnen nicht durch die Novellierung des § 10 KStG im BBG 2003 die Rechtswirksamkeit entzogen worden ist. Nach dem neuen § 10 Abs. 4 KStG gilt der "Methodenwechsel" auch für ausländerbeherrschte österreichische Muttergesellschaften, wodurch entgegenstehende Aussagen der Verordnung unwirksam geworden sind.

Die Zielsetzung des § 10 Abs. 3 KStG (Unterbindung der Gewinnverlagerung in Steueroasen) ist im zeitlichen Geltungsbereich des § 10 Abs. 4 KStG grundsätzlich unverändert aufrechterhalten worden und ist lediglich in ihrer Anwendung von den inländerbeherrschten Gesellschaften auf die ausländerbeherrschten Gesellschaften ausgeweitet worden. Damit ist aber auch die Aussage der Rz 590 der KÖSt-RL nunmehr für ausländerbeherrschte österreichische Holdinggesellschaften maßgebend geworden, dass nämlich die Ermittlung der den Methodenwechsel ausschließenden Mindeststeuerbelastung in dem Jahr zu erfolgen hat, in dem die (später) nach Österreich ausgeschütteten Gewinne in einer schädlichen Steueroasengesellschaft erwirtschaftet worden sind.

Hat eine ausländische Kapitalgesellschaft über eine Tochtergesellschaft in einer Steueroase unbesteuerte Passiveinkünfte lukriert und in der Folge die Beteiligung an der Steueroasen-Tochtergesellschaft in eine (ebenfalls der ausländischen Kapitalgesellschaft gehörende) österreichische Holdinggesellschaft eingebracht, dann liegt zwar kein Rechtsmissbrauch nach § 22 BAO vor, wenn diese Steueroaseneinkünfte über die österreichische Holdinggesellschaft steuerfrei in die Hände der ausländischen Muttergesellschaft geschleust werden; denn Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass durch eine Umweggestaltung österreichische Steuern umgangen werden; dies ist aber bei der Umgehung einer Direkt-Gewinnausschüttung, nämlich der direkten Weiterleitung der unbesteuerten Steueroaseneinkünfte in die Hände der die Transaktion kontrollierenden ausländischen Gesellschaft, nicht der Fall, weil die umgangene Gestaltung ohne "Österreich-Bezug" abgelaufen wäre und daher keine Besteuerung in Österreich ausgelöst hätte. Dennoch muss den Intentionen des Gesetzgebers Rechnung getragen werden, denenzufolge kein schädliches "Ring-Fencing" (steuermindernde Behandlung von Ausländern unter Abschottung vom Inlandsmarkt) mehr begangen werden soll; die in Rz 590 der KSt-RL enthaltene Aussage muss daher nunmehr gleichermaßen für inländer- und ausländerbeherrschte Gesellschaften angewendet werden.

Der Umstand, dass die Steueroasengesellschaft die Gewinne zu einem Zeitpunkt erzielt hat, zu dem sie noch nicht der österreichischen Holdinggesellschaft "gehörte", vermag daher nicht die Steuerbefreiung der Gewinnausschüttung an die österreichische Holdinggesellschaft zu gewährleisten; ab 2004 auch dann nicht, wenn die österreichische Holdinggesellschaft überwiegend Steuerausländern gehört.

 

 

05. Jänner 2004 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 10 Abs. 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 10 Abs. 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988

Schlagworte:

Steueroase, Ring-Fencing, Rechtsmissbrauch, Passiveinkünfte

Verweise:

§ 22 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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