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Russisches Theatergastspiel vor Kundmachung des neuen DBA-Russland

BMFE 12/8-IV/4/0323.6.20032003

EAS 2302

Das österreichisch-russische Doppelbesteuerungsabkommen ist ab 1. Jänner 2003 anzuwenden, jedoch erst am 11. Februar 2003 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden. Es löst das alte Abkommen zwischen Österreich und der Sowjetunion ab, das von Russland und Österreich auf Reziprozitätsbasis bis zum Wirksamkeitsbeginn des neuen Abkommens weiterhin angewendet wurde. Durch Artikel 17 des neuen Abkommens ist insoweit eine "Verböserung" eingetreten, als russische Theatergastspiele nach dem alten Abkommen von der österreichischen Besteuerung freizustellen waren, nach dem neuen Abkommen hingegen der österreichischen Besteuerung unterliegen; eine echt verbösernde Wirkung tritt allerdings nur dann ein, wenn die österreichische Steuer - wie im Fall von nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Theatergastspielen - keine Aussicht auf Anrechenbarkeit auf eine russische Einkommensteuer aufweist.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verstoßen gesetzliche Vorschriften, die nachträglich an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpfen, durch welche die Rechtsposition der Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtert wird, gegen den Gleichheitssatz, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht im berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden (VfGH 29.06.1990, B 1561/89). Diese Prinzipien werden auch bei Doppelbesteuerungsabkommen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen; sie werden im Übrigen nicht nur für den Steuerpflichtigen (im vorliegenden Fall den russischen Staat als Betreiber des Theaters), sondern auch für den für den Steuerabzug haftenden inländischen Veranstalter Geltung besitzen.

Um eine verfassungskonforme Anwendung des neuen DBA-Russland zu gewährleisten, wird es daher keine Haftungsfolgen für inländische Veranstalter von russischen Theatergastspielen geben dürfen, wenn mit den Theatergastspielen (bzw. der Gastspieltournee) noch vor der Kundmachung des neuen Abkommens begonnen worden ist (zB Gastspiel vom 4. Februar 2003 bis 23. Februar 2003); wobei in diesem Zusammenhang als Beginn nicht die erste inländische Aufführung, sondern bereits die vorher stattfindenden inländischen Proben und sonstigen Vorbereitungstätigkeiten zu werten sind.

Im Übrigen ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Österreich ist im Interesse der Förderung des internationalen Kulturaustausches bei den nicht auf Gewinnerzielung, sondern auf Kulturvermittlung ausgerichteten klassischen Orchestern (EAS 1771), aber auch bei den nicht gewinnorientierten Theatern auf Reziprozitätsbasis zur Steuerfreistellung bereit (durch eine Maßnahme nach § 48 BAO; siehe EAS 1082). Die Initiative für ein solches Reziprozitätsverhältnis müsste aber in Fällen der vorliegenden Art vom ausländischen Staat (vom russischen Finanzministerium) ausgehen. Es muss daher dem russischen Theater anheimgestellt bleiben, ob es eine derartige Initiative auf russischer Seite für die Zukunft in die Wege leiten möchte.

23. Juni 2003 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 17 DBA RUS (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Russische Föderation (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 10/2003

Schlagworte:

Theatergastspiele, Gastspieltournee, Vertrauensschutz, Haftung, Kulturaustausch, Reziprozität

Verweise:

§ 48 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
EAS 1771
EAS 1082

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