EAS 2017
Verluste, die in Deutschland ansässige und in Österreich nur der beschränkten Steuerpflicht unterworfene Unternehmer in österreichischen Betriebstätten erlitten haben, waren nach der bis Ende 1988 geltenden Rechtslage des EStG 1972 in Österreich nicht auf spätere Betriebstättengewinne vortragsfähig, da beschränkt Steuerpflichtige (Steuerausländer) generell vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen waren. Mit dem Wirksamkeitsbeginn des EStG 1988 wurde für Steuerausländer ab der Veranlagung 1989 die Sonderausgabenabzugsmöglichkeit eröffnet, sodass ihnen damit auch die Sonderausgabe des Verlustvortrages ohne weitere Einschränkung zustand.
Gemäß Abschnitt I Art. II Z 6 des Abgabenänderungsgesetzes 1989 konnten in begrenztem Umfang auch die noch im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 angefallenen Altverluste von Steuerausländern vorgetragen werden: nämlich insoweit, als sie die Betriebstättenfolgegewinne bis einschließlich 1988 überstiegen haben. Für die Ermittlung des vortragsfähigen Betrages der Altverluste war daher bis einschließlich der Veranlagung 1988 gegebenenfalls eine fiktive Verlustverrechnung mit Folgegewinnen vorzunehmen.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1989 sollte allerdings auch klargestellt werden, dass das für beschränkt Steuerpflichtige nach wie vor geltende "Territorialprinzip" auch für den ab 1988 geöffneten Zugang zu den Sonderausgaben gilt; es sollte daher klargestellt werden, dass beispielsweise eine Rente, die ein Franzose für den Erwerb einer Villa in Italien zu zahlen hat, auch nach Überschreiten des kapitalisierten Rentenwertes nicht als Sonderausgabe bei der steuerlichen Erfassung inländischer Mieteinkünften des Franzosen abgezogen werden können; denn die Berücksichtigung dieses Aufwandes muss jenem Staat überlassen werden, der das Welteinkommen, sonach auch die italienischen Einkünfte, besteuern kann.
Aus dem Blickwinkel dieser Betrachtungsweise hat das AbgÄG 1989 mit Wirkung ab der Veranlagung 1989 daher weiters verfügt, dass Steuerausländer den Verlustvortrag nicht zu günstigeren Konditionen in Anspruch nehmen können als Steuerinländer. Auch bei Steuerausländern ist daher nur jener Teil des Verlustes vortragsfähig, der nicht im Verlustjahr ausgleichsfähig war. Für diesen Verlustausgleich müssen - wie bei den Steuerinländern - die Welteinkünfte herangezogen werden.
Diese Regelung des AbgÄG 1989 ist vom Verfassungsgerichtshof allerdings aufgehoben worden (VfGH 16.6.1995, G 191, 192/94); jedoch nicht wegen inhaltlicher Bedenken, sondern bloß wegen seiner Rückwirkung auf die Veranlagung 1989; die Regelung wurde daher in der Folge mit dem Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 erneut eingeführt, allerdings mit Wirkung ab der Veranlagung 1990.
Hat daher ein in Deutschland ansässiger Unternehmer in Österreich nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich vortragsfähige Altverluste erlitten, dann konnte er diese auf einen Betriebstättengewinn des Jahres 1989 ohne Weiteres vortragen, auf Betriebstättengewinne der Jahre ab 1990 indessen nur, wenn nicht ausreichend positives Welteinkommen vorhanden war. Mit anderen Worten, hat eine deutscher Unternehmer mit Altverlusten im Jahr 1989 keine zur Verlustverrechnung ausreichenden inländischen Betriebstättengewinne erzielt, ist - bei ausreichendem Welteinkommen - keine Verlustvortragsmöglichkeit in Österreich gesetzlich zulässig. Wenn Deutschland ungeachtet dieser Situation bei seinen in Deutschland ansässigen Unternehmern nunmehr eine Nachversteuerung von im Verlustausgleichsweg in Deutschland berücksichtigen Österreich-Verlusten vornimmt, wird hiedurch die Wirkung einer Doppelbesteuerung herbeigeführt (denn die Wirkung einer Doppelbesteuerung tritt nicht nur bei doppelter Besteuerung der Erträge, sondern auch bei doppelter Nichtberücksichtigung der mit der Einnahmenerzielung verbundenen Aufwendungen ein).
Zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung ist aber primär der Ansässigkeitsstaat des betroffenen Abgabepflichtigen, im vorliegenden Fall sonach Deutschland berufen (VwGH 14.3.1990, 89/13/0115 betr. südafrikanisches Luftfahrtunternehmen); im gegebenen Zusammenhang ist auch auf die anlässlich der österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsverhandlungen erzielte Einigung hinzuweisen, derzufolge sich Deutschland bereit erklärt hat, bis einschließlich 1997 bei den in Deutschland ansässigen Unternehmern die Entlastung hinsichtlich der in österreichischen Betriebstätten erlittenen Verluste zu übernehmen (Schlussprotokoll zu Art. 24 des österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. August 2000).
03. April 2002 Für den Bundesminister: Dr. Loukota
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Betriebstättenverluste, Nachversteuerung, Verluste, Sonderausgabenabzug für beschränkt Steuerpflichtige, Territorialprinzip, Territorialitätsprinzip, Verlustvortrag |
Verweise: | VfGH 16.06.1995, G 191/94 |