EAS 804
Werden Bauzusatzstoffe von einem niederländischen Produzenten direkt einem österreichischen Unternehmen geliefert, jedoch im Umweg über ein in einer Steueroase gegründetes verbundenes Unternehmen des österreichischen Kunden fakturiert (d.h. es kauft formell das Steueroasen-Unternehmen in den Niederlanden ein und verkauft die Produkte an das nahe stehende österreichische Unternehmen weiter), dann ist die österreichische Betriebsprüfung gemäß § 114 BAO verpflichtet, Erhebungen dahingehend anzustellen, ob in einem derartigen Fall eine illegale Gewinnverlagerung aus Österreich in die Steueroase stattgefunden hat.
Wird die Gestaltung der Geschäftsbeziehungen über die Steueroase dem Grunde nach anerkannt (dh. es werden weder Scheingeschäfte noch Rechtsmissbrauch angenommen), dann ist festzustellen, ob die Preisgestaltung zwischen den verbundenen Unternehmen dem Fremdverhaltensgrundsatz entspricht. Die verbundenen Unternehmen trifft hierbei die bei Auslandsbeziehungen geltende erhöhte Mitwirkungspflicht, die ua. erfordert, dass von Unternehmenseite jene schriftlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, aus denen die Grundlagen der vorgenommenen Verrechnungspreisgestaltung (einschließlich der Angabe der gewählten Methode; siehe Z 5.4 der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995) offen gelegt werden.
Bei der Methodenwahl haben die so genannten Standardmethoden (das sind jene, die in AÖF Nr. 79/1986 veröffentlicht worden sind) Vorrang vor den in den OECD-Verrechnungspreisgrundsätzen 1995 vorgestellten Gewinnmethoden. (Z 2.49 und 3.49 OECD-Grundsätze 1995).
Innerhalb der Standardmethoden kommt bei Vorliegen vergleichbarer Fremdgeschäfte der Preisvergleichsmethode Vorrang vor der Wiederverkaufspreismethode und der Kostenaufschlagsmethode zu; vergleichbare Fremdgeschäfte sind solche, die entweder keine erheblichen Unterschiede oder zwar erhebliche, aber einer Adaptierung zugängliche Unterschiede zu den internen Geschäften aufweisen (Z 2.7 OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995).
Welche Methode im gegebenen Fall aber auch immer angewendet wird, es wird jedenfalls eine sorgfältige Analyse der tatsächlich in der Steueroasen-Gesellschaft wahrgenommenen Funktionen anzustellen sein ("Funktionsanalyse") und es wird darüber zu wachen sein, dass diese Funktionen nicht in einer dem Fremdverhaltensgrundsatz unangemessenen Weise abgegolten werden. Bei einem Einkauf der Bauzusatzstoffe in den Niederlanden um S 8,00 je kg und einem Weiterverkauf nach Österreich um S 22,00 je kg müsste nachgewiesen werden können, dass die Wertschöpfung in der Steueroase fast das Doppelte jener des niederländischen Produzenten beträgt, um dem Vorwurf der Unangemessenheit mit Aussicht auf Erfolg begegnen zu können; diesem Nachweis kann bei Verdacht einer Verkürzung österreichischer Steuern nicht mit dem Argument ausgewichen werden, dass trotz der gewählten Gestaltung das österreichische Unternehmen immer noch zufrieden stellende Gewinne erwirtschaftet.
29. Jänner 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | OECD-MA, OECD-Musterabkommen |
Schlagworte: | Steuerumgehung, Steueroasengesellschaft, verbundene Unternehmen, Missbrauch, Missbrauchsverdacht, Fremdüblichkeit, Fremdkonformität, erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen, Verrechnungspreisgrundsätze, OECD-Verrechnungspreisgrundsätze |
Verweise: | § 114 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |