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Österreichische Tochtergesellschaft als Vertreterbetriebstätte einer deutschen Muttergesellschaft

BMFE 12/22-IV/4/9621.10.19961996

EAS 958

Wird der Österreich-Vertrieb eines bestimmten Produktbereiches eines deutschen Konzerns aus der österreichischen Vertriebstochter ausgegliedert und unmittelbar von der deutschen Muttergesellschaft besorgt, wobei jedoch nicht ganz auf die Mitwirkung der österreichischen Tochtergesellschaft verzichtet wird, dann wird besonders zu prüfen sein, ob diese weitere Mitwirkung der österreichischen Tochtergesellschaft nicht dazu führt, dass sie entweder hinsichtlich des herausgelösten Produktbereiches nunmehr als abhängiger Vertreter der deutschen Muttergesellschaft anzusprechen ist oder dass Räumlichkeiten, die diese Tochtergesellschaft für die deutsche Muttergesellschaft zwecks Abwicklung ihrer Direktgeschäfte zur Verfügung hält, eine räumliche Betriebstätte der deutschen Muttergesellschaft begründen. In beiden Fällen würde für die deutsche Muttergesellschaft eine inländische "Betriebstätte" im Sinn des DBA-Deutschland geschaffen werden, die Steuerpflicht der Direktbelieferungen in Österreich zur Folge hätte (EAS 722).

Zur Frage, ob eine Tochtergesellschaft als "abhängiger Vertreter" für die Muttergesellschaft betriebstättenbegründend wirken kann, wird folgende Auffassung vertreten:

Der OECD-Kommentar stellt in Z. 32 zu Art. 5 OECD-MA klar, dass abhängige Vertreter nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen sein können. Daher kann auch eine Tochtergesellschaft in der Funktion eines "abhängigen Vertreters" tätig werden (siehe Z. 41 des OECD-Kommentars).

Eine die "Abhängigkeit" ausschließende "Unabhängigkeit" liegt nach Z. 37 des OECD-Kommentars nur dann vor, wenn die betreffende Person von dem Unternehmen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unabhängig ist.

Wendet man diese Erkenntnisse auf Tochtergesellschaften an, so wird zumindest tendenziell der Bestand eines "Abhängigkeitsverhältnisses" von der Muttergesellschaft zu vermuten sein. Diese Abhängigkeit wird jedenfalls dann gegeben sein, wenn grenzüberschreitend die im innerstaatlichen Recht entwickelten Voraussetzungen einer "Organschaft" vorliegen; denn unter Organschaftsvoraussetzungen hat die Organgesellschaft begrifflich "keinen eigenen Willen" mehr; wer aber derart dominiert ist, dass er keinen eigenen Willen mehr hat, kann nicht mehr als "unabhängig" angesehen werden.

Der Begriff der "Abhängigkeit" wird aber nicht mit dem Begriff des "keinen eigenen Willen habens" gleichgesetzt werden können; denn auch einem Außendienstmitarbeiter wird man die Beibehaltung eines "eigenen Willens" attestieren müssen, ohne dass dadurch die durch den Dienstvertrag begründete Abhängigkeit verloren geht. "Abhängigkeit" einer Tochtergesellschaft wird daher auch außerhalb eines Organschaftsverhältnisses bestehen können. Dass dies so ist, muss aus Artikel 9 OECD-Musterabkommen geschlossen werden. Denn nach dieser Bestimmung wird der Grund für fremdverhaltenskonforme Gewinnberichtigungen bei konzerninternen Geschäften in dem zwischen Konzerngesellschaften bestehenden Abhängigkeitsverhältnis gesehen; eine Abhängigkeit, die nach Artikel 9 im Wege der

hergestellt wird. Problematisch mag in diesem Zusammenhang allerdings die Aussage in Z. 38 des OECD-Kommentars zu Art. 5 MA sein; denn dort wird ausgeführt: "Eine Tochtergesellschaft ist nicht allein schon deshalb als von der Muttergesellschaft abhängig zu betrachten, weil sich das Gesellschaftskapital im Eigentum der Muttergesellschaft befindet". Um daher ein betriebstättenbegründendes Abhängigkeitsverhältnis im Sinn von Artikel 5 Abs. 5 OECD-MA annehmen zu können, wird neben der Kapitalbeteiligung auch eine Beteiligung an der "Kontrolle" oder an der "Geschäftsleitung" oder an beidem zu fordern sein. In dieser Hinsicht ist sonach das dem Art. 9 OECD-MA vorschwebende Abhängigkeitsverhältnis nicht mit jenem des Artikels 5 Abs. 5 OECD-MA deckungsgleich.

Der Entscheidung des deutschen Bundesfinanzhofes (BFH 14.9.94, BStBl. II 1995, S.238), in der dieser in kaum begründeter Weise davon ausgeht, dass eine Tochtergesellschaft, die verschiedene Erzeugnisse vertreibt und eigenständig Dienstleistungen erbringt, jedenfalls als "unabhängig" anzusehen sei, wird daher auf österreichischer Seite nicht in dieser Form gefolgt werden können.

Wenn die Tochtergesellschaft neben der allgemeinen Kontaktpflege mit Kunden und der Erstellung von Marketingplänen auch konkret Bestellungen entgegennimmt, die Auftragsbearbeitung vornimmt, Rahmenverträge abschließt, Einzelabrufe vornimmt, das Inkasso besorgt, für die post-sale-Kundenbetreuung zuständig ist sowie Reklamationen entgegennimmt und erledigt, dann werden die österreichischen Kunden durch den Einsatz einer inländischen Konzerngesellschaft offensichtlich in gleicher Weise von dem ausländischen Lieferanten betreut, wie wenn dieser eine (betriebstättenbegründende) inländische Zweigniederlassung eröffnet hätte. Im Interesse der Sicherung gleicher Wettbewerbsverhältnisse in Bezug auf die in vergleichbarer Weise durch Niederlassungen am Inlandsmarkt tätigen ausländischen Unternehmen erscheint ein Beurteilungsergebnis daher sachgerecht, das verhindert, dass der inländischen Steuerpflicht durch Einbindung einer konzernabhängigen Tochtergesellschaft ausgewichen wird.

Anmerkung: Zum gleichen Thema siehe neben EAS 722 auch EAS 785.

21. Oktober 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

Schlagworte:

betriebstättenbegründende Räumlichkeiten, Inlandsbetriebstätte, Fremdverhaltenskonformität, Konzerngesellschaft, Fremdverhaltensgrundsatz

Verweise:

Art. 5 Z 32 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
BFH 14.09.1994, I R 116/93, BStBl II 1995, 238
Art. 5 Z 37 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 5 Z 41 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 5 Z 38 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 9 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 5 Abs. 5 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
EAS 722
EAS 758

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